Iquitos-Fleischmarkt, Tierprodukte, – © Fernando Carniel Machado

Symes - 2018 - 01

Symes, W. S., F. L. McGrath, M. Rao & L. R. Carrasco (2018): The gravity of wildlife trade. – Biological Conservation 218: 268-276.

Der Schweregrad des Wildtierhandels.

DOI: 10.1016/j.biocon.2017.11.007 ➚

Der Iquitos-Fleischmarkt in Peru, hier eine zerlegte Waldschildkröte, Chelonoidis denticulata. – © Fernando Carniel Machado
Der Iquitos-Fleischmarkt in Peru,
hier eine zerlegte Waldschildkröte,
Chelonoidis denticulata,
© Fernando Carniel Machado

Der nicht zu verkraftende Handel mit Wildtierprodukten und zwar sowohl der legale wie illegale ist die Hauptursache für Populationsrückgänge und dem Anstieg des Aussterberisikos bei den kommerziell wertvollen Spezies. Allerdings aufgrund des im Verborgenen ablaufenden illegalen Handels bleibt unser Verständnis über die internationalen Handelsnetzwerke lückenhaft. Wir entwickelten ein gewichtetes Rahmenmodell welches das nichterfassen des illegalen Handels mit berücksichtigt um Analysen und Vergleiche zu folgenden Punkten durchzuführen: (i) Daten zum legalen Handel mit Säugetier-, Vögel- und Reptilienprodukten die von CITES (The Convention on the International Trade in Endangered Spezies of Wild Fauna and Flora) erfasst werden und (ii) Daten über Beschlagnahmen von illegalen Produkten die in die USA zwischen 2004-2013 eingeführt wurden. Wir fanden gravierende Unterschiede bei den Faktoren die den legalen Handel dieser drei taxonomischen Gruppen beeinflussen was anzeigt, dass es unterschiedliche Antriebe für diese unterschiedlichen Produkte und ihrer Märkte gibt. Illegale Importe für alle Gruppen standen in Zusammenhang mit steigenden Produktangeboten in den Exportländern. Wir fanden heraus, dass es beim Handel mit Vögel- und Reptilienprodukten häufiger zu einer Nichtmeldung kommt und ganz allgemein ergab sich, dass es bei den Regionen Zentralafrikas, Zentralasiens, Osteuropa und bei den pazifischen Inselstaaten dazu kam, dass es zu wesentlich weniger Meldungen kam als für die anderen Regionen. Letzteres zeigt, dass komplexe Handelsnetzwerke etabliert sind die mit dem Ziel und dem Potential illegale Produkte über legale Märkte zu legalisieren. Unsere Ergebnisse zeigen wichtige regionale und ökonomische Tendenzen die den Wildtierhandel antreiben. Unser neues Rahmenmodell ist ebenso hilfreich die früher übersehenen Aspekte des illegalen wie legalen Wildtierhandels herauszustellen was dazu genutzt werden kann Gegenmaßnahmen zu entwickeln, um die Auswirkungen auf wildlebende Populationen einzudämmen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Autoren liefern eine gute umfassende Einleitung zu ihrer Arbeit und verweisen darauf, dass das geschätzte Handelsvolumen dieser Märkte im Jahr 2005 noch bei 300 Milliarden US$ lag und sie kritisieren, dass die verschiedenen Datenbanken in denen Regierungen und Organisationen diesen Handel erfassen wie LEMIS (USA), EU-TWIX (Europäische Union) und WCO-CEN (Welthandelsorganisation) kaum öffentlich zugänglich sind. Inwieweit sich die Situation bis heute verringert hat bleibt aber unklar, wobei in diesem Zusammenhang die Ursachen für eine Verringerung auch schwer auszumachen sind, denn zum einen kann die Verringerung durch eine bessere Kontrolle und Eindämmung des Handels eintreten, was positiv zu werten wäre, während eine Verringerung aber auch zwangsläufig durch die Abnahme bzw. das Ausrotten von Tieren und Pflanzen bedingt sein kann die somit zu Handelseinbrüchen führen, was wiederum den negativen Aspekt dieser Praxis in den Vordergrund rückt. Die Autoren nutzen hier ein in der Wirtschaft häufig angewandtes und etabliertes Modell um Handelsbeziehungen und Mengen zu untersuchen. Auffällig ist, dass nach Bereinigung aller nicht genau nachvollziehbaren Daten ein Gesamtdatensatz von 317.300 Transaktionen für die Auswertung übrig blieb davon bezogen sich wiederum 193.905 auf Reptilien, 68.280 auf Vögel und 109.115 auf Säugetiere was auch deutlich macht, dass zumindest für diesen Zeitraum von 2004 bis 2013 der Reptilienhandel durchaus zahlenmäßig relevant war und vielleicht auch heute (2018) noch ist, wenn vielleicht auch in speziellerem Maße (Mandimbihasina et al., 2018). Nun möchte ich mich nicht wiederholen, denn wir haben die negativen und für uns Halter/innen auch wichtigen Aspekte solcher Machenschaften schon häufiger diskutiert und kommentiert (Nijman & Shepherd, 2015; Ganzhorn et al., 2015; Manjoazy et al., 2017; Mendiratta et al. 2017; Morgan & Chng, 2018). Hier bleibt nur anzumerken, dass wenn die Situation so bleibt, dass solche Berichte und Arbeiten weiterhin notwendig sind, wir kaum erwarten können, dass sich aus politischer Sicht etwas verbessern wird. Allerdings auch wissenschaftskritisch im Sinne einer umfassenden Betrachtung der Gesamtsituation sollte meines Erachtens auch angemerkt werden, dass es immer noch zu einem weltweiten und Regionen-spezifischen Landverbrauch und damit Habitatverlust kommt der mit in die Kalkulationen einzubeziehen ist, denn Arterhaltung und Biodiversitätserhalt hängen auch zu wesentlichen Teilen davon ab. Es sollte jedem klar sein, dass man manche Spezies eventuell nur noch in menschlicher Obhut und gemanagt erhalten kann wenn ihr ursprünglicher Lebensraum verloren gegangen ist (Als Beispiel sei die so genannte Cherry head Population von Chelonoides carbonarius sowie so manche chinesische Art erwähnt deren Ursprungshabitate der ungezügelten Urbanisierung und Verstädterung anheimgefallen zu sein scheinen (siehe auch Kommentare zu Lovich et al., 2018; Garcia-Diaz et al., 2015). Von solchen Arten gäbe es ohne die Haltungen in menschlicher Obhut keine lebenden Individuen mehr! Ob das nun wiederum wünschenswert wäre bleibt – wie ich meine – eine gesamtgesellschaftliche Frage der man sich global stellen sollte. Mal etwas provokativ formuliert: Wenn wir uns darauf einigen könnten allen Spezies ohne verbliebenes natürliches Habitat das Lebensrecht abzusprechen können wir politisch so weiterargumentieren wie bisher. Sollten wir letzteres aber nicht wünschen, dann sollten wir auch die Potentiale die sich aus der Haltung in menschlicher Obhut ergeben in dem Überleben solcher Arten eher nutzen und fördern. Letztendlich ist es, in einem Zeitalter einer zunehmend vom Menschen gemanagten Natur, nur eine Frage der Zeit bis wir zu dieser Erkenntnis zwangsweise in den folgenden Generationen kommen müssen (siehe auch Kommentar zu Hennessy, 2015, 2013).

Literatur

Ganzhorn, J. U., T. Manjoazy, O. Päplow, R. Randrianavelona, J. H. Razafimanahaka, W. M. Ronto, E. Vogt, F. Wätzold & R. C. J. Walker (2015): Rights to trade for species conservation: exploring the issue of the radiated tortoise in Madagascar. – Environmental Conservation 42(4): 291-293 oder Abstract-Archiv.

Garcia-Diaz, P., J. V. Ross, C. Ayres & P. Cassey (2015): Understanding the biological invasion risk posed by the global wildlife trade: propagule pressure drives the introduction and establishment of Nearctic turtles. – Global Change Biology 21(3): 1078-1091 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2013): Producing ‘prehistoric’ life: Conservation breeding and the remaking of wildlife genealogies. – Geoforum 49: 71-80 oder Abstract-Archiv.

Lovich, J., J. R. Ennen, M. Agha & J. W. Gibbons (2018): Where Have All the Turtles Gone, and Why Does It Matter? – BioScience 68(10): 771-781 oder Abstract-Archiv.

Mandimbihasina, A. R., L. G. Woolaver, L.E. Concannon, E. J. Milner-Gulland, R. E.Lewis, A. M. R. Terry, N. Filazaha, L. L.Rabetafika & R. P. Young (2018): The illegal pet trade is driving Madagascar‘s ploughshare tortoise to extinction. – Oryx 54(2): 188-196 oder Abstract-Archiv.

Manjoazy, T., J. H. Razafimanahaka, W. Ronto, R. Randrianavelona, J. U. Ganzhorn & R. K. B. Jenkins (2017): The supply of illegal tortoise meat to Toliara City, south-western Madagascar. – Oryx 51(3): 437-440 oder Abstract-Archiv.

Mendiratta, U., V. Sheel & S. Singh (2017): Enforcement seizures reveal large-scale illegal trade in India's tortoises and freshwater turtles. – Biological Conservation 207: 100-105 oder Abstract-Archiv.

Morgan, J. & S. Chng (2018): Rising internet-based trade in the Critically Endangered ploughshare tortoise Astrochelys yniphora in Indonesia highlights need for improved enforcement of CITES. – Oryx 52(4): 744-750 oder Abstract-Archiv.

Nijman, V. & C. R. Shepherd (2015): Analysis of a decade of trade of tortoises and freshwater turtles in Bangkok, Thailand. – Biodiversity and Conservation 24: 309-318 oder Abstract-Archiv.

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