Waldbachschildkroete, Glyptemys insculpta, adultes Weibchen in Freilandanlage - © Hans-Jürgen Bidmon

Mullin - 2020 - 01

Mullin, D., R. C. White, A. M. Lentini, R. J. Brooks, K. R. Beriault & J. D. Litzgus (2020): Predation and disease limit population recovery following 15 years of headstarting an endangered freshwater turtle. – Biological Conservation 245: 108496.

Nach 15 Jahren Headstartprogramm zeigt sich, dass Beutegreifer und Krankheiten die Populationserholung bei einer Süßwasserschildkröte begrenzen.

DOI: 10.1016/j.biocon.2020.108496 ➚

Waldbachschildkröte, Glyptemys insculpta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Waldbachschildkröte,
Glyptemys insculpta,
Jungtiere in Freilandanlage
© Hans-Jürgen Bidmon

Populationserholungsstrategien für bedrohte Spezies variieren mit der Zielsetzung und im Ausmaß und die Unsicherheiten in Bezug auf ihre Effektivität lassen es notwendig erscheinen auf Beweisen basierende Methoden einzuführen um ein bestmögliche Managementpraxis zu erzielen und um den effektivsten Einsatz der knappbemessenen Gelder für die Erhaltungsmaßnahmen zu gewährleisten. Erfassungen in Bezug auf die Bestandserholung bei sich langsam entwickelnden Arten erfordert Jahrzehnte lange Studien. Wir erfassten hier quantitativ den möglichen Erhaltungserfolg bei zwei Populationen (PopA, PopB) der allerseits bedrohten Waldbachschildkröte (Glyptemys insculpta) nach einer 30-jährigen Markierungs-Wiederfang-Studie und einem über 15 Jahre laufenden Headstart-Programm welches nach einem Populationseinbruch um 57 % der durch Wilderei verursacht worden war initiiert worden war. Beide Populationen zeigten nur eine reduzierte Bestanderholung obwohl insgesamt 490 Schildkröten aus dem Headstartprogramm ausgewildert worden waren. Die Bestanderholung wurde dadurch beschränkt, da es zu einer weitaus niedrigeren Überlebensrate (36 %, 52 % in jeder der jeweiligen Populationen) während des ersten Jahres nach der Auswilderung kam. Ebenso lag die Überlebensrate bei den adulten Schildkröten mit 89 % und 93 % für Schildkröten nur vergleichsweise moderat. Allerdings gab es auch sechs Schildkröten aus dem Headstartprogramm die schon Nachwuchs produzierten was nahelegt, dass beide Populationen sich eventuell doch selbst erhalten können. Zwischen 2015 bis 2018 kam es dazu, dass eingeschleppte Beutegreifer allein 11 adulte Schildkröten töteten und wir identifizierten in den Headstart-Beständen drei Krankheiten (Panzerverpilzung, Ranaviren, Glyptemys-Herpesvirus 2). Unsere Populationsüberlebensfähigkeitsanalyse sagte vorher, dass beide Populationen sich erholen könnten, wenn eine gute Beutegreifermanagementstrategie eingeführt werden könnte. Denn Headstart-Programme allein sind hier nicht genug um diese mit einem Aussterberisiko belasteten Populationen vor der lokalen Ausrottung zu bewahren, solange sie von vielfältigen Gefährdungen bedroht werden, wie den sich aufsummierenden Auswirkungen der Landschafts-(Habitat)-umgestaltung die eine wirkliche Herausforderung für das Erhaltungsmanagement darstellt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr interessante Arbeit die zum einen die ursprüngliche Gefährdung durch Wilderei erwähnt und die auch heutige Situation adressiert in dem sie darauf aufmerksam macht welche komplexen Veränderungen sich sowohl durch gut gemeinte Headstartprojekte ergeben können, denn es ist ja nicht auszuschließen, dass auch frühere Wiederauswilderungen aus diesen Programmen damals noch unbekannte Krankheitserreger in die Populationen einbrachten. Zudem geht aus solchen Studien kaum hervor wie viele Individuen eine solche durch Habitatverlust oder durch Habitatveränderung beeinträchtigte Landschaft überhaupt noch optimal versorgen könnte. Uns sollte allen klar sein, dass Ressourcenmangel seien es nun essentielle, individuell nutzbare Mikrohabitate innerhalb des Gesamtlebensraums oder entsprechende Mengen an optimaler Nahrung oder auch Nistplätzen die jeweiligen Individuen einer Population mehr oder weniger durch Stress belasten und auch anfälliger gegenüber Krankheitserregern machen. Denn letztendlich sind ja die in der Arbeit gemachten Aussagen zu den Auswirkungen der eingeschleppten Beutegreifer nur der Gipfel einer Umweltstresskaskade, weil sie ebenso offensichtlich sprich auf der makroskopisch feststellbaren Ebene zutage treten.

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