Iquitos-Fleischmarkt, Tierprodukte, – © Fernando Carniel Machado

McEvoy - 2019 - 01

McEvoy, J. F., G. Connette, Q. Huang, P. Soe, K. H. H. Pyone, M. Valitutto, Y. L. Htun, A. N. Lin, A. L. Thant, W. Y. Htun, K. H. Paing, K. K. Swe, M. Aung, S. Min, M. Songer & P. Leimgruber (2019): Two sides of the same coin – Wildmeat consumption and illegal wildlife trade at the crossroads of Asia. – Biological Conservation 238: 108197.

Zwei Seiten derselben Münze – Der Wildtierfleischverzehr und der illegale Wildtierhandel im Drehkreuz Asien.

DOI: 10.1016/j.biocon.2019.108197 ➚

Der Iquitos-Fleischmarkt in Peru, hier eine zerlegte Waldschildkröte, Chelonoidis denticulata. – © Fernando Carniel Machado
Der Iquitos-Fleischmarkt in Peru,
hier eine zerlegte Waldschildkröte,
Chelonoidis denticulata,
© Fernando Carniel Machado

Der heimische Handel und der Verzehr von Wildfleisch geht sehr eng einher mit dem internationalen Handel von Wildtieren und zusammengenommen sind sie die treibenden Kräfte der Biodiversitätskrise in Südostasien. Myanmar spielt eine verbindende Schlüsselrolle zwischen den Ländern und den betroffenen Bioregionen und ist somit ein wichtiges Teil eines Puzzles, wobei es sowohl als Wildtierressource wie auch als Handelsdrehkreuz für den illegalen Handel nach Asien eine Rolle spielt. Während es einige Informationen über die Schlüsselmärkte und über den Grenztransport gibt sind diese Informationen meist auf wenige Taxa beschränkt. Eine Erhebung des Wildtierhandels der über Myanmar abgewickelt wird und eine, die quantitative Daten für den internationalen und lokalen Handel und Verzehr erfassen würde gibt es derzeit nicht. Wir summierten die Ergebnisse die wir von den Jägern der betroffenen Nationen erhielten auf die zumindest eine Verbindung zwischen den lokalen Bejagungspraktiken und den angegliederten spezialisierten Märkten aufzeigen und die es somit erlauben die breiteren Trends im illegalen Wildtierhandel zu erkennen. Unsere Ergebnisse verdeutlichen eine weitgefächerte, intensive Bejagungspraxis in Myanmar zur Versorgung der lokalen Wildfleischmärkte. Die Mehrheit der Jäger und Sammler kann man als „Selbsterhaltungsjäger“ (zur Versorgung des Eigenbedarfs) einstufen. Diese Jäger berichten aber, dass die bejagten oder abgesammelten Populationen über ihr gesamtes Vorkommensgebiet hinweg von starken Rückgängen betroffen sind, wobei es sich meistens um Arten handelt deren Erhaltung ohnehin gefährdet ist. Schuppentiere gehören diesbezüglich zu den am häufigsten bejagten Tieren und Myanmar ist eines der Hauptländer für den illegalen Schuppentierhandel. Ein besseres Verständnis für die internen Handelswege ist dringend notwendig um zu verhindern, dass diese Wildtierprodukte die Märkte erreichen die zum größten Teil außerhalb der von den Regierungen kontrollierten Bereichen liegen. Die Anpassungen bei der Legislative (Gesetzgebung) sind zwar vielversprechend aber die Durchsetzung der Gesetze auf lokalem Niveau muss dringend auch auf der lokalen Gemeindeebene aktiv umgesetzt werden und zwar dahingehend, dass sie auch alternative Versorgungsmöglichkeiten für diese Selbsterhaltungsjäger und Sammler in Aussicht stellen um die berichteten schnellen Artenrückgänge bedrohter Spezies und Populationen zu stoppen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun in dieser Arbeit geht es um ein ganzes Repertoire an Spezies und nicht nur um die im Abstract erwähnten Schuppentiere. Es werden unter anderem auch drei Schildkröten gelistet die für die Fleischmärkte eine Rolle spielen. Allerdings aufgrund der schon bis fast zur Ausrottung reduzierten Bestände wie bei Batagur trivittata oder Heosemys depressa dürften sie eben nur noch eine untergeordnete Rolle spielen gegenüber Arten die noch etwas häufiger sind. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass jedes gegessene Tier auch solche Arten einer mehr oder weniger kompletten Ausrottung näherbringt. Was an dieser Arbeit interessant ist, ist die Erfassung der Strecken über die die einzelnen Arten transportiert werden. Dabei fällt auf, dass je kleiner die Art ist desto lokal beschränkter ist der Handel, aber auch größere Arten werden oft nicht weiter als durchschnittlich 91 km transportiert um auf einem Markt verkauft zu werden. Daran wird sehr schön erkennbar, dass es eben, wenn man einmal die ländliche Struktur zugrunde legt sehr schwer ist diese lokalen Märkte zu kontrollieren. Zumal in solchen Lokalitäten die entsprechenden Familienklans und Verwandtschaftsbeziehungen auch bis in die Gruppe der Gesetzeshüter hineinreicht. Unter solchen Umständen dauert es meist ein bis zwei Generationen bis die angestrebten Maßnahmen greifen, da alte Traditionen und Grundeinstellungen sich eben nicht so einfach durch Gesetze und Vorschriften verändern und Einsichten sich meist erst mit einer neuen Generation entwickeln. Allerdings wenn diese Menschen keine anderen Verdienstmöglichkeiten haben, dann werden sie wie wohl jeder andere Mensch versuchen ihre Familie und Kinder irgendwie durchzubringen und zu versorgen auch wenn dazu der Verzehr von noch so selten gewordenen Pflanzen oder Tieren notwendig ist. Im Grunde genommen geht es hier gar nicht mehr um die Arterhaltungsbiologie, sondern hier sind Sozialwissenschaftler und Ökonomen gefragt die für Einkommensalternativen für die arme Bevölkerung sorgen. Vielleicht war ja auch in Bezug auf den Artenschutz die Verleihung des diesjährigen (2019) Nobelpreises für Wirtschaft ein Zeichen in die richtige Richtung und diesbezüglich zukunftsweisender als die seit Jahren gehörten oder angemahnten Verschärfungen der Schutzmaßnahmen. Das einzige was es wohl zu beachten gilt ist wohl, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Arten die wir erhalten wollen dann auch noch existieren. Da solche Veränderungen aber Zeit brauchen müssen wir Wege finden die Arten zu erhalten deren Ausrottung eigentlich jetzt kurzfristig ansteht wie zum Beispiel bei der madegassischen Schnabelbrustschildkröte, Astrochelys yniphora (siehe Mandimbihasina et al., 2018) und andere. Vielleicht sind dazu die Gründung von Populationen in menschlicher Obhut nötig die als sogenannte Metapopulationen fungieren könnten (Pedrono et al., 2004). Vielleicht wäre dazu auch notwendig nach entsprechenden Lokalitäten zu suchen in denen solche Arten als noch echte Wildtiere aufwachsen können. Denn wie man aus der Arbeit von Currylow et al., (2017) schließen kann sind selbst die Nachzuchttiere von A. yniphora des Durrel Wildlife Fund auf Madagaskar nicht mehr als Wildtiere zu bezeichnen, da sie die Scheu vor Menschen und vielleicht auch vor anderen karnivoren Beutegreifern während ihrer Aufzucht eingebüßt haben (siehe dazu Bidmon, 2019; Brady et al., 2019; Willoughby & Christie, 2019; Mathews et al.; 2005). Hier wären eventuell Tiere als Inselrestauratoren auf den Seychellen oder auch auf Reunion zum einen wesentlich geschützter und hätten die Möglichkeit wildlebend aufzuwachsen um ihr Wiederansiedlungspotential zu erhalten. Hier sollte man aber auch andere Maßnahmen in Betracht ziehen, denn ich kann mir schwer vorstellen, dass es in Südostasien oder gar in Europa keine Halter gibt die das Problem der schwierigen Nachzucht nicht gelöst hätten. Solche Erfahrungen würde man aber brauchen, sodass es wohl in Anbetracht der Situation an der Zeit wäre solche Leute nicht zu kriminalisieren, sondern sie eher dazu aufzurufen ihr Wissen zum Aufbau von Metapopulationen zur Verfügung zu stellen. Ein Umdenken wird über lang oder kurz sowieso nötig sein, denn wir müssen uns an die Tatsache einer in menschlicher Obhut gemanagten Natur gewöhnen zumindest für jene Arten und Populationen deren ursprüngliche Vorkommensgebiete heute schon als solche nicht mehr existieren und einer urbanen Landschaft und Bewirtschaftung weichen mussten. Wenn wir etwas aus der Geschichte lernen wollen und wenn wir nicht so planlos handeln wollen wie unsere Vorfahren (z.B. Steadman et al., 2019), dann sollten wir erkennen, dass es heute schon Arten gibt die nur erhalten geblieben sind, weil es einige Liebhaber gab die sie mehr oder weniger privat erhalten haben (Barker & Barker, 2014). Warum ich diesbezüglich so pessimistisch argumentiere ist einfach die Beobachtung, dass wir weder den Klimawandel stoppen können, noch das Wachstum der Weltbevölkerung vor dem Ende des Jahrhunderts wirklich drosseln werden, sofern uns keine Katastrophen dazu zwingen (Laut UN-Konferenz, Nairobi 2019 leben zum Ende des Jahrhunderts 10,9 Milliarden). Es ist schon bezeichnend, dass wir seit 1990 eher Schutzgebiete verkleinert oder geschwächt haben als gestärkt (siehe Golden Kroner et al., 2019 und den dortigen Kommentar). Wir sollten wirklich trotz aller Einsichten und abstrakten Pläne nicht zu optimistisch sein, denn trotz dieser Erkenntnisse entfachen wir künstliche Brände (Brasilien) und vernichten Lebensräume, Kriege oder setzen Raffinerien in Brand siehe Türkei/Syrien-Konflikt oder Saudi Arabien, wo an einem Tag so viele klimaschädliche Substanzen in die Atmosphäre gelangen, wie man wahrscheinlich weltweit gar nicht in einem Jahr wieder einsparen kann. Wir müssen einfach erkennen, dass wenn wir keine Möglichkeit finden im positiven Sinne global als Einheit zu agieren, dass uns gutgemeinte nationale Bemühungen keinesfalls vor global stattfindenden nationalen, negativen Alleingängen schützen. Diesbezüglich agieren wir trotz UN und den vielen anderen Gremien und Gipfeln globalgesehen weitestgehend planlos! Was letztendlich bedingt, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass wir auch was den Naturschutz und die Arterhaltung angeht nach neuen global-nationalen „gemanagten Alternativlösungen“ suchen müssen. Andernfalls können wir nur zusehen und wahrscheinlich solange Verluste beklagen bis das globale Ökosystem selbst einen anderen Ausweg findet. Letzterer könnte aber auch bedeuten, dass wir dann dabei, wenn überhaupt noch, keine entscheidende Rolle mehr spielen. Solange es in der Politik um kein globales Gemeinwesen, sondern nur um nationale Machterhaltung geht wird sich daran nichts ändern und die Einsicht und Beteuerung, dass wir alle auf nur einem Planeten oder in einem gemeinsamen Boot sitzen wenig nützen.
Warum liebe Gesellschaft und Politiker dann nicht auch wirkliche Alternativen zum Schutz des Überlebens von Arten zulassen? Oder geht es jenen Verbänden die nur mit Verboten und Einschränkungen der Meinung sind Tierschutz und Arterhaltung zu betreiben auch nur um den Erhalt der Macht innerhalb ihrer eigenen Gruppierung? Klar wir brauchen praktikable Regeln, aber wir brauchen auch vielfältige Alternativen und Ansätze, denn wie so oft wird unseren Enkeln und Ur-Urenkeln erst die Geschichte zeigen welcher Weg der vielversprechendste war (siehe Harrari 2015).

In diesem Sinne ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein schildkrötologisch interessantes neues Jahr.

Literatur

Barker, D. G. & T. M. Barker (2014): The invisible Ark: In defense of captivity. – VPI Library, Boerne, TX, USA; pp. 169.

Brady, S. P., D. I. Bolnick, A. L. Angert, A. Gonzalez, R. D. H. Barrett, E. Crispo, A. M. Derry, C. G. Eckert, D. J. Fraser, G. F. Fussmann, A. Gonzalez, F. Guichard, T. Lamy, J. Lane, A. G. McAdam, A. E. M. Newman, A. Paccard, B. Robertson, G. Rolshausen, P. M. Schulte, A. M. Simons, M. Vellend & A. Hendry (2019): Causes of maladaptation. – Evolutionary Applications 12: 1229-1242.

Bidmon, H.-J. (2019): Praktisch muss es sein! Ästhetik versus Nutzen und Zielsetzung in der Tierhaltung: Ein mahnender Kommentar zu aktuellen Entwicklungen. – Schildkröten im Fokus 16(3): 12-25 ➚.

Currylow, A. F. T., A. Mandimbihasina, P. Gibbons, E. Bekarany, C. B. Stanford, E. E. Louis Jr. & D. E. Crocker (2017): Comparative ecophysiology of a critically endangered (CR) ectotherm: Implications for conservation management. – PLoS One 12(8): e0182004 oder Abstract-Archiv.

Golden Kroner, R. E., S. Qin, C. N. Cook, R. Krithivasan, S. M. Pack, O. D. Bonilla, K. A. Cort-Kansinally, B. Coutinho, M. Feng, M. I. Martínez Garcia, Y. He, C. J. Kennedy, C. Lebreton, J. C. Ledezma, T. E. Lovejoy, D. A. Luther, Y. Parmanand, C. A. Ruíz-Agudelo, E. Yerena, V. Morón Zambrano & M. B. Mascia (2019): The uncertain future of protected lands and waters. – Science 364(6443): 881-886 oder Abstract-Archiv.

Harari, N.Y. (2013): Eine kurze Geschichte der Menscheit. – Deutsche Verlagsanstalt München, S. 526.

Mandimbihasina, A. R., L. G. Woolaver, L.E. Concannon, E. J. Milner-Gulland, R. E.Lewis, A. M. R. Terry, N. Filazaha, L. L.Rabetafika & R. P. Young (2018): The illegal pet trade is driving Madagascar‘s ploughshare tortoise to extinction. – Oryx 54(2): 188-196 oder Abstract-Archiv.

Mathews, F., M. Orros, G. McLaren, M. Gelling, & R. Foster (2005): Keeping fit on the ark: assessing the suitability of captive-bred animals for release. – Biological Conservation 121: 569-577.

Pedrono, M., L. L. Smith, J. Clobert, M. Massot & F. Sarrazin (2004): Wild-captive metapopulation viability analysis. – Biological Conservation 119(4): 463-473 oder Abstract-Archiv.

Steadman, D. W., N. A. Albury, L. A. Carlson, R. Franz, M. J. LeFebvre, B. Kakuk & W. F. Keegan (2019): The paleoecology and extinction of endemic tortoises in the Bahamian Archipelago. – The Holocene DOI: 10.1177/0959683619887412 ➚.

Willoughby, J. R. & M. R. Christie (2019): Long-term demographic and genetic effects of releasing captive-born individuals into the wild. – Conservation biology 33: 377-388; DOI: 10.1111/cobi.13217 ➚.

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