Indische Sternschildkröte, Geochelone elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon

Vamberger - 2020 - 01

Vamberger M., C. Spitzweg, A. de Silva, R. Masroor, P. Praschag & U. Fritz (2020): Already too late? Massive trade in Indian star tortoises (Geochelone elegans) might have wiped out its phylogeographic differentiation. – Amphibia-Reptilia 41(1): 133-138.

Bereits zu spät? Der massive Handel mit Indischen Sternschildkröten (Geochelone elegans) könnte deren phylogenetische Differenzierung schon verwischt haben.

DOI: 10.1163/15685381-20191215 ➚

 Geochelone elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Indische Sternschildkröte,
Geochelone elegans,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Geochelone elegans ist eine der am häufigsten gehandelten Schildkrötenspezies auf der Welt und beschlagnahmte Sternschildkröten werden sehr häufig ohne zu wissen woher sie eigentlich ursprünglich stammten wieder in die Wildnis entlassen. Erstmals benutzten wir hier Proben aus Pakistan und Sri Lanka um die phylogeographischen Unterschiede bei G. elegans anhand von 2289 bp (Basenpaaren) der mitochondrialen DNS zu untersuchen. Wir fanden nur eine schwache intraspezifische Differenzierung ohne ein klares geographisches Muster erhalten zu haben. Wir vermuten, dass die natürliche phylogeographische Differenzierung wahrscheinlich schon zerstört wurde, weil es zu massiven Auswilderungen beschlagnahmter nicht ortsansässiger Schildkröten gekommen ist. Das Vorkommen von zwei distinkten Kladen auf Sri Lanka könnte das Ergebnis einer natürlichen Lebensraumausweitung der genetischen Festlandslinie hinein in das Verbreitungsgebiet der auf Sri Lanka endemischen (einheimischen) Linie während des Pleistozäns darstellen, einer Zeit in der der Meeresspiegel so niedrig war, dass es eine Landbrücke nach Sri Lanka gab. Wir schlagen vor, dass es zu einer systematischen Überprüfung der genetischen Differenzierung aller wildlebenden G. elegans über deren gesamtes Verbreitungsgebiet hinweg kommen sollte um eine solide Grundlage für die Umsiedlung beschlagnahmter Schildkröten zu gewährleisten.

 

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier haben die Autoren eine relativ kleine Stückzahl an Museumsexemplaren, Orginal-Fundorttiere und Tiere aus einer langjährigen Haltung mit Herkunftsdaten und Tiere aus Beschlagnahmen molekulargenetisch untersucht. Dabei gab es schon einige Anhaltspunkte für eine früher wohl vorhandene geographische Unterscheidbarkeit, die aber eben bei diesen Proben nicht mehr eindeutig klar herauszuarbeiten war. Ob es also tatsächlich mehrere Arten oder Unterarten von Indischen Sternschildkröten in Pakistan, Gujarat, Südindien und Sri Lanka einmal gegeben hat bleibt also nach wie vor eine Vermutung. Eine verbreitungsgebietsübergreifende genetische Analyse würde aber zumindest zeigen können aus welchen der zurzeit noch existierenden Populationen gewilderte und beschlagnahmte Exemplare stammen, um sie dann dort auch wieder auswildern zu können. Ob das den Tieren langfristig hilft oder ob es sich dabei nur noch um eine sagen wir mal taxonomische Kosmetik handelt bleibt abzuwarten und müsste sich dann in Bezug auf die jeweiligen Populationsentwicklungen noch erweisen. Zudem müsste dann auch sichergestellt werden, dass solche Rückführungs- bzw. Wiederauswilderungen keine Krankheitserreger einschleppen, denn wenn das passieren würde wäre der langfristige Schaden wahrscheinlich um ein Vielfaches größer (Nikolić & Golubović, 2017; Mullin et al., 2020 und die dortigen Kommentare). Wenn man es mal ganz neutral betrachtet wird auch klar, dass der Mensch hier nichts anderes als einen biologischen Faktor darstellt der für die Verschiebung und Durchmischung von genetischen Linien fungiert genauso wie pleistozäne Meeresspiegelabsenkungen Möglichkeiten für Lebensraumerweiterungen und Linienvermischungen darstellten. Nichtdestotrotz besteht wohl die vordringlichste Aufgabe nach wie vor die noch in der freien Wildbahn lebenden Sternschildkröten und deren Habitate zu erhalten! Ob es langfristig einen Unterschied machen würde, ob es sich dabei um autochthone oder allochthone Populationen und deren Mischformen handelt könnte man auch als zweitrangig einstufen, denn wie wir an unserer eigenen Spezies sehen (Racimo et al., 2015; Gittelman et al., 2016; Skov et al., 2020) scheint auch das, ein wie ich finde durchaus lebenswertes Leben zu ermöglichen.

Literatur

Gittelman, R.M., J. G. Schraiber, B. Vernot, C. Mikacenic, M. M. Wurfel & J. M.; Akey (2016): Archaic HomininAdmixture Facilitated Adaptation to Out-of-Africa. – Current Biology 26(24): 3375-3382.

Nikolić, S. & A. Golubović (2017): Confiscated Emys orbicularis (Linnaeus, 1758) Dying Out in a „Temporary“ Reception Facility in Serbia: a Case Study Showing the Urgency for a Regional Reptile Rescue Centre. – Acta Zoologica Bulgarica 10: 115-120 oder Abstract-Archiv.

Racimo, F., S. Sankararaman, R. Nielsen & E. Huerta-Sánchez (2015): Evidence for archaic adaptive introgression in humans. – Nature Reviews Genetics 16: 359-371.

Skov L, M. Coll Macià, G. Sveinbjörnsson, F. Mafessoni, E. A. Lucotte, M. S. Einarsdóttir, H. Jonsson, B. Halldorsson, D. F. Gudbjartsson, A. Helgason, M. H. Schierup & K. Stefansson (2020): The Nature of Neanderthal Introgression Revealed by 27,566 Icelandic Genomes. – Nature 582(7810): 78-83.

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