Georgia-Gopherschildkröte, Gopherus polyphemus, – © Brian Folt

Pike - 2006 - 02

Pike, D. A. & R. A. Seigel (2006): Variation in hatchling tortoise survivorship at three geographic localities. – Herpetologica 62(2): 125-131.

Variationen in der Überlebensrate von Schlüpflingen an drei geographisch unterschiedlichen Lokalitäten.

DOI: 10.1655/05-49.1 ➚

Georgia-Gopherschildkröte, Gopherus polyphemus, – © Tracey D. Tuberville
Georgia-Gopherschildkröte,
Gopherus polyphemus,
© Tracey D. Tuberville

Die Überlebensrate junger Schildkrötenschlüpflinge ist gering, bedingt durch vielfältige Gründe, aber nur wenige Forscher haben bislang diese frühen Lebensstadien gut untersucht. Wir benutzten die Radiotelemetrie, um das Überleben von jungen Gopherschildkröten (Gopherus polyphemus) (n = 20) in Zentralflorida zu untersuchen und mit den schon früher publizierten Daten von Nordflorida und Mississippi zu vergleichen. In unserer Lokalität war der Bejagungsdruck extrem hoch und kein Schlüpfling wurde älter als 335 Tage. Die durchschnittliche Überlebensrate war für alle Gelege gleich und die höchste Mortalität wurde im ersten Monat nach dem Schlupf beobachtet. Die häufigsten Beutegreifer waren Säugetiere und Schlangen. Unsere Daten sind vergleichbar mit jenen aus Nordflorida (n = 20) und Mississippi (n = 45), wobei die Schlüpflinge in Nordflorida am längsten überlebten. Allerdings verstarben alle beobachteten Schildkröten – insgesamt (n = 85) – in jeder Studie viele Jahre vor dem Erreichen der Geschlechtsreife durch die Einwirkung von Beutegreifern. Die Beutegreifer unterschieden sich je nach Lokalität, aber Säugetiere waren an allen drei Untersuchungsgebieten die dominierenden Fressfeinde. Wir diskutieren die Konsequenzen dieser hohen Mortalitätsrate bei Jungtieren für die Populationen sowie mehrere Hypothesen in Bezug auf die Populationsstabilität. Obwohl die Schlüpflingssterberate extrem hoch ist, zeigen Langzeitstudien von der Zentralflorida-Population, dass Jungtiere mit gleich bleibender Regelmäßigkeit Beutegreifern zum Opfer fallen und die Population trotzdem noch existiert. Die höchst wahrscheinliche Erklärung für diesen Befund ist, dass die wahre Überlebensrate trotz dieser widersprechenden Befunde noch über Null liegt, aber zu niedrig ist, um derzeitig die wirkliche Anzahl bzw. Größe der Stichprobe zu erfassen. Deshalb sollten Langzeit Fang-Wiederfangstudien von Schlüpflingen notwendigerweise zeigen, ob der Zuwachs noch ausreichend ist, um die derzeitige Population aufrecht zu erhalten oder ob sie von einem stetigen Rückgang betroffen ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Sicher ein interessanter Befund mit einer noch interessanteren Fragestellung. Allerdings gibt es eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen; 1. die Population wächst nicht mehr und wird derzeit nur durch die langlebigen adulten Schildkröten repräsentiert oder 2. die Population wächst noch durch Zuwachs, dann ist aber die gewählte Untersuchungsmethode höchst wahrscheinlich die Falsche und setzt die Jungtiere einem erhöhten Risiko aus. Für adulte Schildkröten gibt es nur eine Studie, die belegt, dass die an den Tieren angebrachten Sender die Überlebensfähigkeit nicht beeinträchtigen (Rittenhouse et al. 2005 dort ist auch die Größe solcher Sender dargestellt), wenn ich einmal davon ausgehe, dass solche Sender an Schlüpflingen von den ersten Lebenstagen an angebracht werden, dann würde es mich fast wundern, dass sie damit 335 Tage über die Runden kommen, denn eine Behinderung stellen sie allemal dar. In der vorgelegten Arbeit liegt das Sendergewicht bei 10-12 % des Körpergewichts. Obwohl die Autoren behaupten, die Sender stören nicht, da manche Tiere mit Sendern schneller laufen als ohne, halte ich gerade diese Interpretation für falsch, da ein guter diagnostischer Marker für gerade energetischen Stress, die Ausprägung von Hyperaktivität ist (zumindest bei Säugetieren). Allerdings kann man den Autoren auch nicht verdenken, dass sie Schwierigkeiten haben, eine niedrige Überlebensrate nachzuweisen, da zur Aufrechterhaltung einer Population mindestens eine Überlebensrate von 1,2 % nötig ist, um aber rein statistisch mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine solch geringe Überlebensrate nachweisen zu können, müssten sie in jeder Population als Minimum 260 Schlüpflinge markieren und verfolgen - ein Aufwand, der sowohl finanziell als auch von der Zeit her die Möglichkeiten vieler Wissenschaftler übersteigt. Allerdings muss sich die Gesellschaft auch fragen, wenn man anhand mathematischer Berechnungen solche Limitierungen klar vorhersagen kann, warum plant man dann Studien, die offensichtlich kaum die Chance haben, befriedigende Ergebnisse zu liefern und sagt nicht gleich den Geldgebern: „Entweder ihr gebt uns soviel, dass wir mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein aussagekräftiges Ergebnis liefern können, oder ihr könnt das Geld und den Aufwand von vorn herein einsparen“. Darüber sollte sich die Forschungsförderung vielleicht einmal Gedanken machen. Allerdings geht das auch die Allgemeinheit der Steuerzahler etwas an, denn naturschutzrelevante Forschung wird wohl von politischer Seite oft als „Billige Alibi-Forschung“ finanziert, wobei es gar nicht darum geht, dass etwas dabei herauskommt, Hauptsache, es lässt sich medienwirksam einsetzen. Wenn die Studie unzureichend geplant oder unterfinanziert war, sind ja nicht die Politiker daran schuld, sondern der Wissenschaftler, in diesem Fall der Feldherpetologe. Aber warum machen dann Wissenschaftler solche Studien? Ganz einfach, weil sie von irgendetwas leben müssen (Auch einer der Autoren dieser Arbeit, mit dem ich die Situation zu diskutieren versuchte, bearbeitet heute ein Schlangenprojekt an anderer Stelle und war an Schildkröten gar nicht mehr interessiert). Insofern sollte sich die Gemeinschaft der Steuerzahler schon fragen: Gibt es das nur in den USA oder hat sich auch hier schon eine Art „Wanderbiologie“ etabliert, die mal hier mal dort den einen oder anderen Auftrag erledigt – und kann man davon dann noch Entsprechendes erwarten?

Literatur

Rittenhouse, C. D., J. J. Millspaugh, B. E. Washburn & M. W. Hubbard (2005): Effects of radiotransmitters on fecal glucocorticoid metabolite levels of three-toed box turtles in captivity – Wildlife Society Bulletin 33(2): 706-713; DOI: 10.2193/0091-7648(2005)33[706:EOROFG]2.0.CO;2 ➚.

Galerien