Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Martinez-Silvestre - 2017 - 01

Martinez-Silvestre, A., I. Verdaguer, F. Vidal, L. Fortuno, M. A. Franch, J. Soler & R. Velarde (2017): High Mortality Associated with Thyroid Hyperplasia in European Pond Turtles, Emys orbicularis (Linnaeus,1758) (Emydidae) in a Breeding Facility at the Ebro Delta, NE Spain. – Acta Zoologica Bulgarica 69: 85-89.

Eine hohe Mortaltitätsrate assoziiert mit Schilddrüsenhyperplasie bei Europäischen Sumpfschildkröten, Emys orbicularis (Linnaeus, 1758) in einer Nachzuchtstation im Ebrodelta, Nordost-Spanien.

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 Emys orbicularis, Europäische Sumpfschildkröte – © Hans-Jürgen-Bidmon
Europäische Sumpfschildkröte,
Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon

In 2014-2015 kam es in einer Nachzuchtstation im Ebrodelta (Tarragona Spanien) zu einem Ausbruch einer Erkrankung mit hohen Mortalitätsraten bei Europäischen Sumpfschildkröten, Emys orbicularis. Das entsprechende Nachzuchtprogramm bestand seit 2006 und es wurden seitdem etwa jährlich 250 Schildkröten nachgezogen. Diese Nachzuchten wurden im Alter von 4-5 Jahren ausgewildert. Nach einer Nahrungsumstellung für die Schildkröten kam es bei denen die von 2014-2015 geschlüpft waren zu einem Anstieg der Mortalitätsrate auf 91 % (334 von 366 Tieren). Klinische Symptome waren ein weicher Panzer, Apathie und Anorexie wobei die Symptome kurzfristig nur 1-5 Tage vor dem Versterben auftraten. Histologisch zeigte sich, dass die Schilddrüsenfollikel von einem hypertrophen kolumnären Epithel ausgekleidet waren, wobei deren Lumen in den meisten Fällen kein Kolloid enthielt. Die Nieren waren auch betroffen und zeigten milde bis moderate akute Degenerationserscheinungen einhergehend mit einer Nekrose der Nierentubuli und einer Mineralisierung des Tubulusepithels. Stenotrophomonas maltophilia wurde aus Gewebekulturen der untersuchten Tiere isoliert. PCR-Untersuchungen zum Nachweis von Ranaviren, Herpesviren und Kokkzidien (spp.) blieben negativ. Wir schließen daraus, dass die hohe Mortalitätsrate mit der Schilddrüsenhyperplasie und den Nierenschädigungen in Zusammenhang standen und dass dafür die Nahrungsumstellung verantwortlich war. Das Krankheitsbild verkomplizierte sich noch durch die sekundäre Infektion mit Bakterien.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier zeigen die Autoren sehr schön welchen Einfluss die Ernährung haben kann. Früher waren die Schildkröten mit einer Futtermischung für Wasserschildkröten aufgezogen worden. Da aber in diesem Zentrum auch Vögel rehabilitiert werden, für die eine spezielle reine Fischdiät aus Meeresfischen hergestellt wurde, hatte man versucht die Schildkrötenschlüpflinge auch mit diesen Fischpresslingen aufzuziehen. Damit ist wohl davon auszugehen, dass der reine Proteinanteil und eventuell auch der höhere Mineralanteil der Meeresfische für diese mehr omnivore Art zu hoch war (siehe auch Ficetola & De Bernadrdi, 2006). Sicher auch ein durch das reine Proteinfutter zu hoher Stickstoffgehalt im Wasser der Anzuchtbecken könnte zu der Schilddrüsenschädigung beigetragen haben, aber zum Stickstoffgehalt des Wassers gibt es keine Angaben und die Autoren verwiesen lediglich auf das übliche seit Jahren praktizierte Regime zum Wasserwechsel. Aber proteinreicheres Futter kann auch Wasserwechsel in kürzeren Abständen erfordern, denn irgendwo müssen die Ausscheidungen der Tiere hin. Hier lassen sich sicher Parallelen zu den Vorgängen bei Landschildkröten erkennen, denn wenn der und insbesondere der Kaliumgehalt in den Tieren zu hoch wird, bauen sie eigene Körpereiweiße und Mineralien ab, um den in den Körperflüssigkeiten zu hoch werdenden Stickstoff (Harnstoff) und eventuell auch Kaliumspiegel in Form von Uraten als Natrium- oder Kaliumurat zu binden und abzulagern. Zudem enthält auch diese Arbeit eine interessante Literaturzusammenstellung zum Thema.
Siehe diesbezüglich auch Bidmon (2009, 2010, 2013). Zudem erklären die Autoren, dass sich die Aufzucht der Jungtiere sofort normalisierte, als sie deren Ernährung auf ein kommerzielles Wasserschildkrötenfutter umstellten (siehe auch Michell & Michell, 2015).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Bidmon, H.-J. (2010): Karnivore Schildkröten: Was ist ihr handelsübliches Futter eigentlich wert? Oder: Die Bedeutung des Darminhalts der Futtertiere. – Schildkröten im Fokus 7(1): 3-18 ➚.

Bidmon, H.-J. (2013): Kommentar zu: Rasmona, R. V. J., Raselimanana, A. P., Ratovonamana, Y. R. & J. U. Ganzhorn (2013): Habitat Use and Diet of Astrochelys radiata in the Subarid Zone of Southern Madagascar. – Chelonian Conservation and Biology 12(1): 56-69 oder Abstract-Archiv.

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