Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Ibáñez - 2014 - 01

Ibáñez A, N. Polo-Cavia, P. López & J. Martín (2014): Honest sexual signaling in turtles: experimental evidence of a trade-off between immune response and coloration in red-eared sliders Trachemys scripta elegans. – Naturwissenschaften 101(10): 803-811.

Zuverlässige Sexualsignale bei Schildkröten: Experimentelle Beweise eines Ausgleichs zwischen Immunantwort und Färbung bei Rotwangen-Schmuckschildkröten, Trachemys scripta elegans.

DOI: 10.1007/s00114-014-1219-6 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Sexuelle Signale können während der Evolution sehr stabil bleiben, wenn sie zuverlässig und konditionsabhängig sind oder wenn sie dem Signalgeber sehr wertvoll (im Sinne von Ressourcenverbrauch) sind. Ein möglicher Preis dafür wäre zum Beispiel die Ressourcennutzung für ein gutes Immunsystem oder für die Ausprägung aufwändiger Ornamente abzustimmen. Diese Hypothese wurde experimentell bei einigen Tiergruppen getestet, aber längst nicht bei allen und auch nicht bei Schildkröten. Wir beeinflussten daher experimentell das Immunsystem von weiblichen Rotwangen-Schmuckschildkröten, Trachemys scripta elegans mit einem bakteriellen Antigen (Lipopolysaccharid, LPS) ohne pathogene Effekte auszulösen, um zu untersuchen, ob sich die Aktivierung des Immunsystems auf die visuell wahrnehmbare, farbenprächtige Kopfzeichnung auswirkt. Die LPS-Injektion veränderte das Reflektionsmuster der farbigen Kopfzeichnung im Vergleich zu Kontrolltieren. Im Vergleich zu den Kontrollen nahm die Helligkeit der gelben Kinnzeichnung ab, zudem reduzierte sich die Reflektion der längeren Wellenlängen (>470 nm) und es ergaben sich niedrigere Werte für Carotioide. Auch die postorbitalen Flecken der injizierten Weibchen reduzierten die Reflektion sehr langwelligen Lichts (>570 nm), zeigten jedoch keine Reduktion des Carotinoids. Somit zeigten am Ende die experimentellen Schildkröten eine dunklere Färbung mit weniger gelben Kinnstreifen und weniger roten Postorbitalflecken als die Kontrollschildkröten, die ihre Färbung nicht veränderten. Hier handelt es sich um den experimentellen Erstnachweis, dass es zu einem Kosten-Nutzeneffekt zwischen Immunsystem und der visuell sichtbaren Kopfzeichnung bei Schildkröten kommt. Wir vermuten, dass dieses Kostennutzenverhältnis den Schildkröten zuverlässig erlaubt, konditionsabhänge Signale via der Färbung zu übermitteln, die eine wichtige Rolle für den intersexuellen Selektionsprozess (Geschlechtspartnerauswahl) darstellen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine interessante Arbeit, die auch ein klares Ergebnis zeigt. Allerdings für meinen Geschmack hätte man das mit etwas schwächerer Form untersuchen müssen, denn LPS ist zwar ein eigentlich unschädliches bakterielles Antigen, aber LPS signalisiert dem Körper eine heftige bakterielle Infektion, die im Körper eine heftige Abwehrreaktion auslöst. Bei Wirbeltieren ist sie oft so stark, dass sie allein an dieser Abwehrreaktion versterben, z.B. weil die Körpertemperatur infolgedessen zu stark ansteigt oder gar der Kreislauf zusammenbricht. Insofern ist das schon eine für den Körper heftige Reaktion, bei der es einen wundert, dass sich nicht mehr als nur die Farbreflektion verändert haben soll. Allerdings kann man daraus auch etwas für die Tierhaltung lernen, denn wenn die Aktivierung des Immunsystems durch ein bakterielles Antigen so viel Energie und vielleicht auch Proteinverbrauch bedeutet, dass sich dabei sogar die Färbung oder auch die Durchblutung der farbigen Hautbereiche ändert, dann ist das auch ein Anzeichen dafür, dass die Reserven in den Schildkröten gar nicht so hoch sind. Ein Umstand, den ich hier schon früher in Bezug zur Ernährung, dem zumindest einstmals häufig vorgeschlagenen Großhungerns von Jungtieren zur Vermeidung von Panzeranomalien diskutiert habe (siehe Kommentare zu Ritz et al. 2009; Tavares-Dias et al. 2009). Denn das ist ein klares Anzeichen dafür, dass gerade Jungtiere, die ja noch viel Energie ins Wachstum stecken, bei Infektionen mit dem Immunsystem und der Infektabwehr Probleme bekommen, wenn sie keine Reserven haben. Siehe auch Anmerkungen zu Rowe et al. (2014).

Literatur

Ritz, J., C. Hammer & M. Clauss (2009): Body size development of captive and free-ranging leopard tortoises (Geochelone pardalis). – Zoo Biology 29(4): 517-525 oder Abstract-Archiv.

Rowe, J. W., B. J. Miller, M. A. Stuart, C. Snyder, J. K. Tucker, D. L. Clark, L. W. Wittle & J. T. Lamer (2014): Substrate color-induced melanization in eight turtle species from four chelonian groups. – Zoology 117(4): 245-252 oder Abstract-Archiv.

Tavares-Dias, M., A. A. Oliveira-Junior, M. G. Silva, J. L. Marcon & J. R. M. Barcellos (2009): Comparative hematological and biochemical analysis of giant turtles from the Amazon farmed in poor and normal nutritional conditions – Veterinarski Arhiv 79(6): 601-610 oder Abstract-Archiv.

Galerien