Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Ge - 2018 - 01

Ge, C., J. Ye, C. Weber, W. Sun, H. Zhang, Y. Zhou, C. Cai, G. Qian & B. Capel (2018): The histone demethylase KDM6B regulates temperature-dependent sex determination in a turtle species. – Science 360(6389): 645-648.

Die Histondemethylase KDM6B reguliert die Temperatur-abhängige Geschlechtsausprägung bei einer Schildkrötenart.

DOI: 10.1126/science.aap8328 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Temperatur-abhängige Geschlechtsfestlegung ist ein bemerkenswertes Modell für Phänotypische-Plastizität. Bei vielen Reptilien einschließlich der Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans (T. scripta) wird das Geschlecht während der Inkubation im Ei durch die Umgebungstemperatur festgelegt. In dieser Studie zeigen wir, dass die Histon-H3-Lysine 27 (H3K27)-Demethylase-KDM6B eine Temperatur-abhängige Expression in sehr frühen T. scripta-Embryonen zeigt und zwar noch bevor die Gonaden differenzierbar sind. Bei einer Temperatur von 26 °C (einer Temperatur bei der alle Nachkommen sich zu Männchen entwickeln) führt die Ausschaltung von Kdm6b in mehr als 80 % der überlebenden Embryonen zu einer Geschlechtsumwandlung von Männchen hin zu Weibchen. KDM6B steuert direkt die Transkription des Männchen-bestimmenden Gens Dmrt1 durch die Entfernung der Trimethylierung von H3K27 nahe am Promotor. Als zusätzlicher Beweis führt eine Überexpression von Dmrt1 zur Geschlechtsumkehr bei durch Kdm6-Ausschaltung erzeugten weiblichen Embryonen. Diese Studie liefert den kausalen Nachweis für einen direkten genetischen Zusammenhang eines epigenetischen Mechanismus und der Temperatur-abhängigen Geschlechtsfestlegung bei einer Schildkrötenart.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier wird ganz klar belegt, dass Epigenetik für ein seit langem diskutierten Phänomen bei Schildkröten eine ganz entscheidende Rolle spielt und ganz klar in Bezug zum Geschlecht die sogenannte phänotypische Plastizität steuert. Letzteres sollte uns auch daran erinnern, dass auch durchaus andere Parameter (z.B. morphologische, physiologische oder Zeichnungsmuster) nicht nur durch Gene, sondern eben auch durch epigenetische Mechanismen beeinflusst sein könnten. Insofern sollten wir uns klar machen, ob eine molekulare Taxonomie so wie sie derzeit praktiziert wird der Wirklichkeit entspricht (siehe dazu auch die Diskussion bei Bidmon, 2017 und die dort zitierte Literatur). Siehe auch dazu den Kommentar von Georges & Holleley (2018).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2017): Sind phylogenetische Stammbäume nur ein Traum? Schildkröten im Fokus 14(1): 14-27 ➚.

Georges, A., & C. E. Holleley (2018): How does temperature determine sex? Temperature-responsive epigenetic regulation clarifies a 50-year-old mystery in reptiles. – Science 360: 601-602; DOI: 10.1126/science.aat5993 ➚.

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