Stachelhals-Sumpfschildkröte, Acanthochelys spixii, – © Carolina Silveira Mascarenhas

Brasil - 2011 - 01

Brasil, M. A., G. Horta, H. J. Fraxe Neto, T. O. Barros & G. R. Colli (2011): Feeding Ecology of Acanthochelys spixii (Testudines, Chelidae) in the Cerrado of Central Brazil. – Chelonian Conservation and Biology 10(1): 91-101.

Die Ernährungsökologie von Acanthochelys spixii (Testudines, Chelidae) im Cerrado von Zentralbrasilien.

DOI: 10.2744/CCB-0846.1 ➚

Stachelhals-Sumpfschildkröte, Acanthochelys spixii, – © Thomas Vinke
Stachelhals-Sumpfschildkröte,
Acanthochelys spixii,
© Carolina Silveira Mascarenhas

Wir untersuchten die Nahrung von Acanthochelys spixii bei einer wild lebenden Population im Cerrado von Zentralbrasilien über 19 Monate hinweg, wobei wir ontogenetische (entwicklungsabhängige), geschlechtsspezifische und interindividuelle Unterschiede berücksichtigten. Die Nahrung bestand überwiegend aus den Nymphenstadien von Odonata (Libellen), obwohl auch andere Insekten und Amphibien sowie Pflanzen gefressen wurden. Wir konnten keinen ontogenetischen Nahrungswechsel für die Zusammensetzung der Nahrung (z. B. juvenile mehr karnivor und adulte mehr herbivor) feststellen, was sehr wahrscheinlich mit der hohen Nahrungsverfügbarkeit zusammenhängt. Es gab auch keine Assoziation zwischen Nahrungsgröße und Schildkrötengröße, da große Schildkröten immer noch relativ kleine Beutetiere fraßen. Es gab eine große Überlappung der trophischen Nischen (Jagdgründe), und es gab keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Breite der Nische. Allerdings ließen die Unterschiede in der Nahrungszusammensetzung auf eine geschlechtsspezifische Habitatnutzung schließen, bei der Männchen mehr die Gewässerperipherie und Weibchen mehr den zentralen Teil der Teichfläche nutzen. Die Nahrungszusammensetzung war bei den Männchen vielfältiger als bei Weibchen, was das Ergebnis der mehr ufernahen Lebensweise der Männchen mit größerer Beutetiervariabilität in den Uferzonen sein könnte, oder durch größere Habitate der Männchen bedingt sein könnte. Die hohe Frequenz leerer Mägen (41 %) reflektiert die Aktivitätszyklen der Schildkröten (z. B. niedriger Stoffwechsel, Ökothermie, späte Geschlechtsreife und Langlebigkeit). Die Wichtigkeit von Beutetierkategorien, die sensitiv auf Umweltverschmutzung reagieren, die von A. spixii genutzt werden, zeigt die noch vorhandene Integrität dieser Untersuchungsregion und verweist auf die Anfälligkeit der Populationen gegenüber der rasch fortschreitenden Zerstörung des Cerradobioms.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier ein schönes Beispiel für die vielseitige, überwiegend aber nicht nur karnivore Ernährung einer Wasserschildkröte. Leere Mägen deuten eigentlich nicht auf ein Hungern der Tiere hin, denn diese treten gehäuft nur während der Trockenzeit auf und sind wohl somit eher Ausdruck eines saisonal geprägten Lebensraums, gekoppelt mit einer saisonal angepassten Lebensweise der Schildkröten. Was mir an dieser Arbeit aber besonders gefällt, ist die Tatsache, dass die Autoren hier klar darauf verweisen, dass das Überleben der Art auch von der Nahrungsverfügbarkeit und der Erhaltung der Beuteressourcen abhängt, denn in den meisten Arterhaltungskonzepten findet man dazu wenig. Da werden nur immer Habitatstrukturen erwähnt, die anscheinend für die Schildkrötenart selbst wichtig sind, wobei die Habitatansprüche der Beutetiere oder Pflanzen kaum Berücksichtigung finden. Können Sie sich vorstellen, um mal etwas näher an unsere Gegebenheiten hier zu erinnern, dass Sie durch das Aufhängen von mehr Nistkästen in einer Gartenlandschaft eine Blaumeisenpopulation erhalten können, wenn sie gleichzeitig zur Gartenpflege so viele Pestizide und Herbizide einsetzen, dass nicht mehr genug Futterinsekten zur Aufzucht des Nachwuchses übrig bleiben? Siehe auch Kommentar zu: Bertolero et al. (2007), Browne & Hecnar (2007), Nelson et al. (2009).

Literatur

Bertolero, A., D. Oro, & A. Besnard (2007): Assessing the efficacy of reintroduction programmes by modelling adult survival: the example of Hermann’s tortoise. – Animal Conservation 10(3): 360-368 oder Abstract-Archiv.

Browne, C. L. & S. J. Hecnar (2007): Species loss and shifting population structure of freshwater turtles despite habitat protection. – Biological Conservation 138 (3-4): 421-429 oder Abstract-Archiv.

Nelson, D. H., G. J. Langford, J. A. Borden & W. M. Turner (2009): Reproductive and Hatchling Ecology of the Alabama Red-Bellied Cooter (Pseudemys alabamensis): Implications for Conservation and Management. – Chelonian Conservation and Biology 8(1): 66-73 oder Abstract-Archiv.

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