Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Torres - 2023 - 01

Torres, F., E. J. Huang, J. L. Román-Carrion & G. S. Bever (2023): New insights into the origin of the Galápagos tortoises with a tip-dated analysis of Testudinidae. – Journal of Vertebrate Paleontology e2313615.

Neue Erkenntnisse über die Herkunft der Galápagos-Riesenschildkröten mit einer aktuellen Analyse der Testudinidae.

DOI: 10.1080/02724634.2024.2313615 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galápagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Riesenschildkröten des Galápagos-Archipels beeinflussten Darwins frühes Denken über Transmutation und sind heute ein berühmtes Beispiel für inselbasierte Speziation und evolutionäre Dynamik. Die Frage nach dem evolutionären Ursprung der Riesenschildkröten ist nach wie vor ungeklärt, z. B. ob sich ihre Größe vor oder nach der Ankunft des Stammbaums auf den Galápagos-Inseln vom südamerikanischen Kontinent entwickelt hat. Hier präsentieren wir neue Beweise, die die "Vorher"-Hypothese stützen, basierend auf zuvor berichteten fossilen Exemplaren aus dem Spätpleistozän von Ecuador. Trotz der isolierten und fragmentarischen Natur dieser Schildkrötenfossilien sind phylogenetisch informative Merkmale erhalten. Eine auf die Spitze getriebene phylogenetische Analyse weist die Ecuador-Form als Schwestertaxon der Galápagos-Linie aus und stützt damit die Existenz einer eng verwandten Riesenschildkrötenpopulation etwa zur gleichen Zeit und am gleichen Ort, als der Humboldtstrom vermutlich die Vorfahren der Galápagos-Schildkröten auf die Inselgruppe brachte. Die Phylogenie lässt auch die Möglichkeit zu, dass dieselbe Entwicklung des kontinentalen Gigantismus auch die Ausbreitung der südamerikanischen Schildkröten in das Karibische Becken begünstigte, wo sie sich diversifizierten, bevor sie im Holozän ausstarben.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun scheint diese Arbeit ja den bislang diskutierten Abstammungsbefunden etwas zu widersprechen (siehe Kehlmaier et al., 2017; 2021 und die dortigen Kommentare). Das könnte natürlich sein, weil man bis dahin diese großen Festlandsfossilfunde die hier beschrieben werden noch nicht kannte. Allerdings sollte man auch nicht ganz aus den Augen verlieren, dass diese gefundene, große, fossile Schildkröte (1,1 m lang) ein Alter von nur 781.000 Jahren aufweist, wohingegen die Schildkröten auf den Galápagosinseln diese zum Teil seit 3 Millionen Jahre besiedeln. Insofern könnte es auch so sein, dass ein Vulkanausbruch, Seebeben oder Tsunami die Strömungsverhältnisse zeitweise so verändert hat, dass auch der umgekehrte Weg von den Inseln zum Festland denkbar wäre. Wir sehen also hieran ganz deutlich, dass diese retrospektiv durchgeführten Abstammungsuntersuchungen doch recht spekulative Daten liefern, denn diese Daten hängen wesentlich davon ab mit welchen anderen Erkenntnissen sie abgeglichen und abgesichert werden können und welche Befunde und Erkenntnisse wann überhaupt zur Verfügung stehen (siehe dazu auch Gerlach et al., 2006; Kehlmaier et al.,2024 und den dortigen Kommentar). Diesbezüglich sollten wir also dort, wo wir nicht auf solche unsicheren retrospektiv erarbeiteten Daten zurückgreifen müssen, zupacken und Schildkrötenevolution „live“ untersuchen (siehe Bidmon, 2024).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2024): Commercially assisted migration – Invasive species and their future in a globalized world: A perspective. – Artikel-Archiv.

Gerlach, J., C. Muir & M. D. Richmond (2006): The first substantiated case of trans-oceanic tortoise dispersal. – Journal of Natural History 40(41-43): 2403-2408 oder Abstract-Archiv.

Kehlmaier, C., N. A. Albury, D. W. Steadman, E. Graciá, R. Franz & U. Fritz (2021): Ancient mitogenomics elucidates diversity of extinct West Indian tortoises. – Scientific Reports 11(1): 3224 oder Abstract-Archiv.

Kehlmaier, C., A. Barlow, A. K. Hastings, M. Vamberger, J. L. Paijmans, D. W. Steadman, N. A. Albury, R. Franz, M. Hofreiter & U. Fritz (2017): Tropical ancient DNA reveals relationships of the extinct Bahamian giant tortoise Chelonoidis alburyorum. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 284(1846): 20162235 oder Abstract-Archiv.

Kehlmaier, C., U. Fritz & G. Kuchling (2024): Show me your true face: How many Emydura species occur in the Mitchell River Drainage, Kimberley, Australia?. – Salamandra 60(1): 51–59 oder Abstract-Archiv.

Galerien