Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Anne-Sophie Le Gal

Le Gal - 2023 - 01

Le Gal, A.-S., P. Priol, J.-Y. Georges & O. Verneau (2023): Population structure and dynamics of the Mediterranean Pond Turtle Mauremys leprosa (Schweigger, 1812) in contrasted polluted aquatic environments. – Environmental Pollution 330: 121746.

Die Populationsstruktur und Dynamiken der mediterranen Sumpfschildkröte Mauremys leprosa (Schweigger, 1812) unter aquatischen Umweltbedingungen mit gegensätzlichen Verschmutzungsgraden.

DOI: 1016/j.envpol.2023.121746 ➚

Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Anne-Sophie Le Gal
Maurische Bachschildkröte,
Mauremys leprosa,
© Anne-Sophie Le Gal

Umweltverschmutzung trägt dazu bei, dass kontinentale, aquatische Ökosysteme gestört werden und die Biodiversität leidet. Einige Arten scheinen aber toleranter gegenüber Wasserverschmutzung zu sein, aber bis heute ist nur wenig darüber bekannt wie solche Verschmutzungen sich auf die Struktur und Dynamiken von Populationen auswirken. Hier untersuchten wir wie sich das Abflusswasser aus einer Kläranlage der Stadt Cabestany in Südfrankreich auf den Verschmutzungsgrad des Fluss Fosseille auswirkt und wir testeten wie dadurch die Populationsstruktur und die mittelfristigen Populationsdynamiken einer dort einheimischen Süßwasserschildkröte, der mediterranen Sumpfschildkröte, Mauremys leprosa (Schweigger, 1812) verändern. Von den insgesamt 68 untersuchten Pestiziden die in den Wasserproben entlang des Flusses in 2018 und 2021 analysiert wurden konnten wir insgesamt 16 Pestizide nachweisen, wovon acht im oberen Flusslauf vorkamen und 15 im Unterlauf hinter der Klärlange gefunden wurden, wobei 14 Pestizide im Ausflusswasser der Kläranlage vorhanden waren was verdeutlicht in welchem Ausmaß das Ausflusswasser aus der Kläranlage zur Verschmutzung beiträgt. Von 2013 bis 2018 sowie in 2021 führten wir eine Fang-Markierungswiederfangstudie bei der Süßwasserschildkrötenpopulation durch die den Fluss besiedelt. Unter der Anwendung eines zuverlässigen Untersuchungsprotokolls und anhand multifaktorieller Modellanalysen konnten wir zeigen, dass die Population während der Untersuchungsperiode stabil geblieben war, wobei sich eine jährliche hohe Präsenz von alten Schildkröten ergab und es ließ sich eine bidirektionale Verschiebung primär aus der oberen Flussregion in den Unterlauf unterhalb der Kläranlage nachweisen. Diese Süßwasserschildkrötenpopulation bestand hauptsächlich aus adulten Individuen mit einem sehr stark hin zu mehr Männchen verschobenen Geschlechterverhältnis welches sich unterhalb der Kläranlage zeigte und welches weder von einer geschlechtsabhängen Überlebensrate beeinflusst war noch durch Zuwachs oder Zuwanderung aus anderen Flussabschnitten beeinflusst wurde was nahelegt, dass dieser Männchenüberschuss schon bei den Schlüpflingen und beim sogenannten primären Geschlechterverhältnis vorhanden war. Auch die größten noch nicht geschlechtsreifen und geschlechtsreifen Weibchen wurden unterhalb der Kläranlage gefangen, wobei die dortigen Weibchen auch die höchste Körperkondition aufwiesen, wobei sich aber keine solchen Unterschiede, für die beobachteten Männchen nachweisen ließen. Diese Studie hebt hervor, dass die funktionellen Populationsparameter für diese M. leprosa in der Hauptsache durch die im Abflusswasser vorhandenen Ressourcen zumindest mittelfristig beeinflusst werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich einmal um eine gute Studie, die zwar nicht unbedingt aufklären konnte über welche Mechanismen die Wasserverschmutzungsbestandteile ihre Wirkung auf die Schildkrötenpopulation ausüben, die aber dennoch insbesondere zeigen konnte, wie immer noch Pestizide die in der Europäischen Union eigentlich gar nicht mehr eingesetzt werden sollten, doch noch genutzt und in die Landschaft z. B. im Weinbau eingebracht werden (Siehe dazu auch den Kommentar zu Reyes-Grajales et al., (2021). Ebenso lässt sich vermuten wie das von den Autoren diskutiert wird, dass solche Substanzen über die Muttertiere und/oder Eischale in die Eier gelangen und dieses sehr stark hin zu Männchen verschobene Geschlechterverhältnis bedingen (Immerhin sind fast ¾ der adulten Tiere männlich! Es sei das zynische Gedankenexperiment erlaubt – Könnte man mit chemischer Umweltverschmutzung, dass durch die Klimaerwärmung hin zu mehr Weibchen verschobene Geschlechterverhältnis korrigieren?). Die unterhalb der Kläranlage festgestellte bessere Körperkondition und die höhere Populationsdichte könnte sich sekundär dadurch erklären, dass dort auch das Nahrungsangebot für die Schildkröten besser ist. Zwar sollte die Kläranlage den direkten Eintrag von nutzbaren Nahrungsbestandteilen aus dem Abwasser verhindern, aber wenn mehr lösliche Nährstoffe im Ausflusswasser vorhanden sind die z. B. Algen- und Bakterienwuchs fördern von denen sich dann vermehrt wirbellose Tiere wie Schnecken und Würmer ernähren können, könnte auch das zu einer insgesamt gegenüber dem Flussoberlauf besseren Ernährungssituation für die Schildkröten führen. Warum davon aber dann insbesondere die Weibchen profitieren müsste noch geklärt werden (siehe dazu auch Lindemann, 2006). Das M. leprosa zu jenen Schildkrötenarten gehört die gegenüber Umweltbelastungen sehr resistent sind wurde auch schon mehrfach beobachtet (siehe Hofstra, 2015, El Hassani et al., 2019; Moradi et al., 2022, Heritier et al., 2017a,b) und diese Spezies bringt damit sicherlich auch das Potential mit, sich als wenn verfrachtet, invasiv in anthropogen beeinflussten Landschaften zu verhalten (Franch et al., 2015).

Literatur

El Hassani, M. S., E. M. El Hassan, T. Slimani & X. Bonnet (2019): Morphological and physiological assessments reveal that freshwater turtle (Mauremys leprosa) can flourish under extremely degraded-polluted conditions. – Chemosphere 220: 432-441 oder Abstract-Archiv.

Franch, M., A. Montori, N. Sillero & G. A. Llorente (2015): Temporal analysis of Mauremys leprosa (Testudines, Geoemydidae) distribution in northeastern Iberia: unusual increase in the distribution of a native species. – Hydrobiologia 757: 129-142 oder Abstract-Archiv.

Heritier, L., A. L. Meistertzheim & O. Verneau (2017a): Oxidative stress biomarkers in the Mediterranean pond turtle (Mauremys leprosa) reveal contrasted aquatic environments in Southern France. – Chemosphere 183: 332-338 oder Abstract-Archiv.

Héritier, L., D. Duval, R. Galinier, A.-L. Meistertzheim & O. Verneau (2017b): Oxidative stress induced by glyphosate-based herbicide on freshwater turtles. – Environmental Toxicology and Chemistry 36(12): 3343-3350 oder Abstract-Archiv.

Hofstra, J. (2015): Moerasschildpadden op het Griekse eiland Lesbos. – Schildkröten im Fokus Online 2015 3: 1-9 oder Artikel-Archiv.

Lindeman, P. V. (2006a): Diet of the Texas map turtle (Graptemys versa): Relationship to sexually dimorphic trophic morphology and changes over five decades as influenced by an invasive mollusk. – Chelonian Conservation and Biology 5(1): 25-31 oder Abstract-Archiv.

Moradi, E., H. Ghafari & F. Ghorbani (2022): Heavy metal concentrations in Caspian pond turtle (Mauremys caspica) in Zarivar International Wetland, Kurdistan Province of Iran. – Environmental Science and Pollution Research 29(59): 89691-89697 oder Abstract-Archiv.

Reyes-Grajales, E., R. Macip-Ríos, J. B. Iverson & W. A. Matamoros (2021): Population Ecology and Morphology of the Central Chiapas Mud Turtle (Kinosternon abaxillare). – Chelonian Conservation and Biology 20(1): 18-26 oder Abstract-Archiv.

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