Hinterindische Scharnierschildkröte, Cuora galbinifrons, – © Hans-Jürgen Bidmon

Ihlow - 2023 - 01

Ihlow, F., C. Spitzweg, M. Vamberger, L. Augustine, C. Hagen, A. Davis, B. Leprince, P. Wagner, P. Van Thong & U. Fritz (2023): Molecular differentiation and conservation of the Indochinese box turtles Cuora galbinifrons, Cuora bourreti, and Cuora picturata. – SALAMANDRA 59(4): 336–346.

Die molekulare Differenzierung und Erhaltung der Indochinesischen Dosenschildkröten Cuora galbinifrons, Cuora bourreti und Cuora picturata.

DOI: None ➚

Zentralvietnamesische Scharnierschildkröte, Cuora bourreti, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zentralvietnamesische Scharnierschildkröte,
Cuora bourreti,
© Hans-Jürgen Bidmon

Der asiatische Dosenschildkröten-Cuora galbinifrons-Komplex (C. galbinifrons, C. bourreti, and C. picturata) zählt mit zu den am meisten gefährdeten Schildkrötenspezies weltweit. Trotz mehrerer früheren Studien bleiben die phylogenetischen Beziehungen und die Artabgrenzungen innerhalb dieses Komplexes unstimmig was auf die sehr limitierten, im Freiland gesammelten Proben zur genetischen Überprüfung zurückzuführen ist und da zwischen mitochodrialen und nukleären Markern Diskrepanzen beobachtet wurden. Zudem wird über Intergradationszonen berichtet, innerhalb derer eine starke Tendenz zur Hybridisierung bei dieser Gattung besteht. Hier führten wir eine Nachuntersuchung zu den Verwandtschaftsbeziehungen und zur potenziellen Hybridisierung zwischen diesen Spezies des C. galbinifrons-Komplexes basierend auf dem derzeit umfangreichsten Datensatz bestehend aus 394 morphologisch identifizierten Exemplaren (136 C. galbinifrons, 200 C. bourreti, 49 C. picturata und 9 Individuen die angeblich von Hainan stammen). Die Schildkröten stammten hauptsächlich aus Erhaltungskolonien wie auch aus zoologischen und privaten Sammlungen verteilt über die USA und Europa. Bayesian und Maximum Wahrscheinlichkeitsanalysen der zusammenhängenden mitochondrialen Datensätze (COI und ND4 plus benachbarter tRNS-Gene) zeigten fast identische Topologien, die jeweils den drei anerkannten Hauptkladen C. galbinifrons, C. bourreti und C. picturata entsprechen. In Übereinstimmung mit den früheren Studien repräsentiert C. bourreti die Schwesterklade zu C. galbinifrons und diese beiden Kladen zusammen repräsentieren die Schwesterklade zu C. picturata. Das Haplotypnetzwerk zeigte deutliche mitochondriale Divergenzen zwischen den Taxa. STRUCTURE und PCA-Analysen mit 12 Mikrosatellitenloki bestätigten ebenfalls die Existenz der drei distinkten Cluster mit den dazu anerkannten Spezies. Nur wenige Exemplare mit gemischter Abstammung (Hybriden) oder mit abweichender mitochondrialer Identität wurden bei dieser Untersuchung gefunden. Wobei Letzteres einen sehr stark eingeschränkten Genfluss zwischen den drei Spezies vermuten lässt. Allerdings kann dieses eingeschränkte Genflussmuster auch darauf zurückzuführen sein, dass es sich hier um in Gefangenschaft gemangte separate Erhaltungslinien handelt bei denen Individuen aus den natürlichen geographischen Kontaktzonen unterrepräsentiert sind.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Wie schon aus dem ersten Abschnitt des Ergebnisteils hervorgeht, gab es doch einige morphologisch fehlidentifizierte Exemplare in den Beständen was darauf schließen lässt, dass eben doch die Ursprungshabitate oder die artifiziellen Haltungsbedingungen (Habitate) einen Einfluss auf Phänotyp und Färbung haben und eben nicht alles nur Genetik ist (siehe diesbezüglich auch in Analogie Gannon, 2023). Acht der angeblichen Hainanindividuen repräsentierten C. galbinifrons und eines eine C. bourreti. Ja und die einzige in der Wildnis von Nordvietnam gesammelte Probe stellte sich auch als zu C. bourreti gehörend heraus. Während die Studie einige mögliche historische Überschneidungszonen diskutiert, die einige der Abstammungen erklären könnten, wurde aber auch ein Hybrid identifiziert der aus einer Nachzucht mit fehlidentifizierten Individuen hervorgegangen sein muss, da es zwischen den Elterntieren keine natürlichen Kontaktzonen gibt. Insofern denke ich, handelt es sich doch um eine Studie, die sehr wahrscheinlich mit Recht zumindest im letzten Satz des Abstracts auf die in dieser Studie unterrepräsentierten Hybridzonen verweist und wie bei den Ergebnissen gezeigt ein hohes Hybridisierungspotential bei Haltungen in menschlicher Obhut besteht.

Literatur

Gannon, F. (2023): The piano and the pianist. – EMBOreports 24(11): e58178; DOI: 10.15252/embr.202358178 ➚.

Liu, X., W. Li, Z. Ye, Y. Zhu, X. Hong & X. Zhu (2019): Morphological characterization and phylogenetic relationships of Indochinese box turtles – The Cuora galbinifrons complex. – Ecology and Evolution 9(23): 13030-13042 oder Abstract-Archiv.

Spinks, P. Q. & H. B. Shaffer (2007): Conservation phylogenetics of the Asian box turtles (Geoemydidae, Cuora): mitochondrial introgression, numts, and inferences from multiple nuclear loci. – Conservation Genetics 8(3): 641-657 oder Abstract-Archiv.

Van, T. P., B. Leprince, H. L. Xuan, Q. N. Thu, O. Le Duc, C. Bordes, M. V. Tien & L. Luiselli (2019): Observations of threatened Asian box turtles (Cuora spp.) on trade in Vietnam. – Herpetological Journal 29(3): 173-178 oder Abstract-Archiv.

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