Griechische Landschildkröte, Testudo hermanni boettgeri, Jungtiere – © Hans-Jürgen Bidmon
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Geisler - 2023 - 01

Geisler, G., C. Leineweber, M. Pees, S. Öfner & R. E. Marschang (2023): The effects of sex, season, and natural sunlight on plasma vitamin D3 levels in two chelonian species (Testudo hermanni, Trachemys scripta) and their interaction with calcium, phosphate, and magnesium as associated plasma compounds. – Frontiers in Amphibian and Reptile Science 1: 1268801.

Die Auswirkungen von Geschlecht, Saison und natürlichen Sonnenlicht auf die Plasma Vitamin D3-Spiegel bei zwei Schildkrötenarten (Testudo hermanni; Trachemys scripta) sowie deren Interaktion mit den miteinander in Zusammenhang stehenden Plasmagehalten an Kalzium, Phosphat und Magnesium.

DOI: 10.3389/famrs.2023.1268801 ➚

Gelbwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta scripta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Gelbwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta scripta,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die artspezifische Physiologie, die saisonalen Schwankungen, das Geschlecht und die Haltungsfaktoren haben einen Einfluss auf die Blutbiochemie von Schildkröten, wozu auch die Gehalte an Vitamin D3, Kalzium, Phosphat und Magnesium zählen. Probleme bei der Versorgung mit Blutbestandteilen werden häufig bei Reptilien in Gefangenschaftshaltung beobachtet. Das Ziel dieser Studie war, die Blutspiegel von Vitamin D3, Kalzium, Phosphat und Magnesium bei in menschlicher Obhut gehaltenen gesunden Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni) und Schmuckschildkröten (Trachemys scripta) zu messen. Die Proben wurden sortiert nach der Art, dem Geschlecht, der jeweiligen Saison und nachdem Zugang zu natürlichem Sonnenlicht als diesbzgl. wichtigste Haltungsparameter. Es wurden Blutproben von 522 Griechischen Landschildkröten und 188 Schmuckschildkröten, die von März bis September 2022 gesammelt wurden, für die Studie verwendet. Dabei wurden neue Referenzintervalle für Vitamin D3, Kalzium, Phosphat und Magnesium etabliert, und zwar unter spezifischer Berücksichtigung der jeweiligen Art, deren Geschlecht und der Saison kalkuliert und für die Fälle, wo signifikante Unterschiede für diese Faktoren gefunden wurden. Für die Kalkulation der Intervalle für Vitamin D3 wurden insbesondere die Faktoren, Spezies, Saison und Zugang zu natürlichen Sonnenlicht herangezogen. Die Vitamin D3-Spiegel unterschieden sich für die Tiere, die Zugang zu natürlichen Sonnenlicht hatten, je nach der Saison und der Spezies und sie waren bei den Griechischen Landschildkröten generell höher. Die Plasmavitamin D3-Spiegel korrelierten bei keiner der Spezies nicht mit den Gehalten an Kalzium, Phosphat oder Magnesium bei grober Betrachtung. Die Gehalte an Kalzium, Phosphat und Magnesium waren für beide Spezies bei den Weibchen höher als bei den Männchen und die Magnesiumspiegel waren bei den Griechischen Landschildkröten zudem höher als bei den Schmuckschildkröten. Unsere Ergebnisse können für die genauere Interpretation der Blutwerte hilfreich sein und sie bestätigen die schon früher gemachten Beobachtungen, dass direkter Zugang zu natürlichem Sonnenlicht einen wichtigen Parameter für die Gesundheit von Schildkröten darstellt. Weitere Studien sind nötig, um ein noch besseres Verständnis für die Rolle der anderen Hormone und deren Einflussnahme auf den Vitamin-D3-Spiegel sowie auf den Metabolismus von Kalzium, Phosphat und Magnesium bei Schildkröten zu entwickeln.

Griechische Landschildkröte, Testudo hermanni boettgeri, – © Hans-Jürgen Bidmon
Griechische Landschildkröte,
Testudo hermanni boettgeri,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine Arbeit, die wieder einmal, und zwar an einer wesentlich größeren Anzahl an Individuen neue Referenzwerte für Blutplasmaspiegel an Vitamin D3 und die Mineralien Kalzium, Phosphat und Magnesium für Schildkröten, die in Deutschland gehalten werden, liefert. In der Diskussion vergleichen die Autoren ihre neuen Daten mit jenen aus der Literatur, wobei ich finde die Erkenntnis, dass zum Beispiel die Vitamin-D3-Spiegel, die bei den in Südeuropa gehalten Griechischen Landschildkröten meist noch deutlich höher liegen als die in dieser Studie gemessenen. Daher ist es schon fraglich, ob die Schildkröten hier eben mit niedrigeren Blutspiegeln gerade so auskommen. Was man aber auch nicht vergessen sollte, ist in diesem Zusammenhang die Ernährung der Schildkröten, die sicherlich einen Einfluss auf die Menge der mit der Nahrung aufgenommen Mineralien hat. Da aber Pflanzen mit Ausnahme einiger Hochgebirgspflanzen (Vitamin D2) kein Vitamin D3 enthalten ist es schon erstaunlich, dass die gemessenen Blutspiegel für dieses Hormon bei den herbivoren Griechischen Landschildkröten höher liegt als bei Trachemys die sich ja auch z.B. über die Mengen an Vitamin D3 in Fischen und Schnecken damit versorgen können auch dann, wenn der Einfluss der UVB-Strahlung des Sonnenlichts durch den vermehrten Aufenthalt im Wasser etwas abgeschwächt werden dürfte. Die fehlende Korrelation der Vitamin-D3-Spiegel mit denen für die untersuchten Mineralien könnte aber damit zusammenhängen, dass auch Geschlechtshormone und insbesondere Östradiol den Mineralhaushalt mit steuern, und zwar sowohl bei Reptilien und Vögeln wie auch bei Säugetieren. Was mit ein Grund dafür ist, dass selbst den Trägern von funktionslosen Vitamin-D3-Rezeptormutanten sich die zu beobachtenden Symptome bei männlichen Patienten gravierender auswirken als bei weiblichen die Anfangs meist nur einen verzögerten Eintritt in die Pubertät zeigen, aber dann nach Beginn der Menopause und dem Absinken der Östrogenspiegel eine gravierendere Rachitis und andere Symptome entwickeln. Übrigens solche Mutationen treten nicht nur beim Menschen, wo sie gut untersucht sind, auf, sondern auch bei Tieren und deshalb muss ein sich nicht ganz normal entwickelnder Schlüpfling auch bei Schildkröten nicht immer und in jedem Fall etwas mit einer schlechten Haltung zu tun haben. Was aber nach den auch hier vorgelegten Befunden sicher sein dürfte, ist, dass auch Schildkröten, die zwar keine komplett funktionslose Vitamin-D-Rezeptormutante aufweisen, aber eine, die nur eine verminderte Vitamin-D-Bindungsaffinität zur Folge hat (die oft bei sich normal entwickelnden aber zur Rachitis neigenden Probanden vorliegt) ganz sicher unter einem verminderten Zugang zu natürlichem Sonnenlicht Krankheitssymptome entwickeln dürften.

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