Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon

Benítez-Malvido - 2019 - 01

Benítez-Malvido, J., A. Giménez, E. Graciá, R. C. Rodríguez-Caro, R. R. De Ybáñez, H. H. Siliceo-Cantero & A. Traveset (2019): Impact of habitat loss on the diversity and structure of ecological networks between oxyurid nematodes and spur-thighed tortoises (Testudo graeca L.). – PeerJ 7: e8076(8).

Der Einfluss von Habitatverlust auf die Diversität und Struktur der ökologischen Netzwerke zwischen Oxyuriden – Nematoden und maurischen Landschildkröten (Testudo graeca L.).

DOI: 10.7717/peerj.8076 ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Habitatverluste und Lebensraumfragmentierung wirken sich bekanntlicherweise auf die Natur und die biologischen Interaktionen aus, obwohl wir dazu bislang nichts darüber wissen wie sich solche Veränderungen auf herbivore Reptilien und deren Nematoden im Dickdarm auswirken, wobei diese Endosymbionteninteraktionen die Spanne von mutualistisch oder kommensalistisch bis hin zu parasitisch umfassen können. Wir untersuchten die potentiell negativen oder positiven Auswirkungen von Endosymbionteninteraktionen zwischen der Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca L.) und den adulten oxyuriden Nematoden (Pharyngodonidae, Ordnung Oxyurida) in einem Buschland im südlichen Spanien. Dazu bestimmten wir die Assoziationen (Beziehungen) zwischen der Vielfalt und der Vorkommenshäufigkeit der verschiedenen Oxyuridenspezies mit den Schildkröten in Bezug auf deren Wachstumsraten und Konditionsparametern (Gewicht und Carapaxlänge) in Habitaten mit verschiedenen Graden an Habitatverlust (niedrig, mittelmäßig und hoch). Zudem verwendeten wir dazu einen Intrapopulations-Ökologischen-Netzwerk-Ansatz. Speziell untersuchten wir dabei die Struktur und die Verschiedenheit von Schildkröten-Oxyuriden-Interaktionen indem wir die Oxyuridenspezies, die individuelle Schildkröten besiedelten in Beziehung setzten zu deren Körperparametern und Wachstumsraten über alle Habitate hinweg. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass die Körperkonditionsparameter keine Beziehung zum Befall mit Oxyuriden in keinem der Habitate erkennen ließen. Die Vielfalt an verschieden Oxyuridenarten und deren Vorkommenshäufigkeit zeigte im Gegensatz dazu eine Beziehung mit den Wachstumsraten über die verschiedenen Grade an Habitatverlust hinweg. In Gebieten mit niedrigen Habitatverlust korrelierte die Besiedlung mit Oxyuriden positiv mit den Wachstumsraten (was vermuten lässt, dass es sich um eine mutualistische Beziehung zwischen Oxyuriden und Schildkröten handelt), allerdings wurde diese Beziehung negativ in den Gebieten mit hohem Habitatverlust (was eine parasitische Beziehung nahelegt). Zudem ließ sich in Gebieten mit mittelmäßigen Habitateinbußen gar keine Beziehung feststellen (was eine kommensalistische Beziehung vermuten lässt). Die Netzwerkanalyse zeigte, dass die Gemeinschaft der Oxyuriden nicht zufällig verteilt war, sondern sie zeigte ganz bestimmte Nester (Konzentrationszentren) die eine Strukturierung über alle Grade an Habitatverlust hinweg erkennen ließ. Die Diversität der Interaktionen war am niedrigsten in Gebieten mit geringen Habitatverlust. Bei mittelmäßigen Graden an Habitatverlust zeigte sich die größte Spezialisierung was anzeigt, dass die Schildkrötenindividuen in diesen Landschaften mit weniger Oxyuriden befallen sind. Im Gegensatz dazu waren die Schildkröten in den Habitaten mit hohen Habitatverlusten die am häufigsten befallenen Wirtstiere. In Bezug zur letzten Feststellung zeigte sich die Konnektivität zwischen den Parasiten am höchsten in den Regionen mit hohem Habitatverlust was zeigt, dass hier eine uniforme Verbreitung der Oxyuriden und eine enge Beziehung zwischen den Oxyuridenspezies vorherrscht. Auf dem Niveau des Individuums zeigten größere und schwerere Schildkröten eine Tendenz hin zur Beherbergung einer höheren Anzahl an Interaktionen zwischen den Oxyuridenspezies. Wir schließen aus diesen Befunden, dass eine Assoziation besteht zwischen Habitatverlust und den Schildkröten-Oxyuriden-Interaktionen. Obwohl wir keine kausalen Zusammenhänge (Ursachen) für diese Assoziationen angeben können, stellen wir die Hypothese auf, dass Oxyuriden negative, neutrale sowie positive Auswirkungen für die Wachstumsraten der Schildkröten haben können. Ökologische Netzwerkanalysen können dabei helfen zu verstehen welche natürlichen Vorgänge solchen Veränderungen bei den Schildkröten-Oxyuriden-Interaktionen zu Grunde liegen indem sie zeigen wie generalisiert oder spezialisiert solche Interaktionen unter verschiedenen Umweltbedingungen auftreten und wie anfällig solche Endosymbionteninteraktionen gegenüber fortschreitenden Habitatverlusten sind.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr interessante Arbeit die zum einen den Befall mit Nematoden, die wir häufig nur unter dem Aspekt Parasit sehen, als auch eine Besiedlung mit Endosymbionten beschreiben. Schildkröten leben also mit Nematoden in Symbiose was sicher den natürlichen Gegebenheiten entspricht, denn mir sind keine nematodenfreien, natürlichen Wildbestände bekannt. Ja und die Schildkröten in der Natur scheinen darunter auch nicht zu leiden. Zum zweiten belegt die Arbeit aber klar, dass zu klein gewordene Habitate (oder vielleicht auch überbesiedelte oder zu hoch aufgestockte Habitate) zur übermäßigen Verparasitierung führen. Über die Ursachen lässt sich bekanntlich spekulieren, aber dafür kann es mehrere Gründe geben. In größeren Habitaten können sich die Nematoden eventuell auf eine höhere Anzahl an Wirtsspezies verteilen. Ebenso sind wahrscheinlich in größeren Habitaten die Menge an ausgeschieden Nematodeneiern über eine größere Fläche verteilt wodurch sich die Zeitspanne bis eine Schildkröte ein Ei aufnimmt vergrößert da die Chance geringer ist auf eines zu treffen. Diese höhere Zeitspanne kann dazu beitragen, dass mehr von solchen Nematodeneiern absterben. Zudem können größere Habitate eventuell auch eine höhere Futterpflanzenvielfalt bieten, die es den Schildkröten auch ermöglicht antihelminthisch wirksame Pflanzen zu fressen, die die Befallsrate in deren Darm begrenzen. Alle diese Faktoren, die den Schildkröten dabei helfen können ihren Nematodenbefall im positiven Beziehungsbereich zu halten nehmen bei Habiatverlust oder bei Überbesiedlung und Überbeanspruchung der Habitatflächen ab und erhöhen die Befallsraten mit Nematoden. Ja und genau das erleben wir auch in der Schildkrötenhaltung, denn selbst in wissenschaftlich betreuten Nachzucht- und Headstart-Programmen ist die Besatzdichte mit Schildkröten meist sehr viel höher als in der Natur! Letztendlich sollte aber auch klar geworden sein, dass in optimalen natürlichen Habitaten Oxyuridenbefall positiv mit dem Wachstum assoziiert sein können. Letzteres ist ja ein Befund der bislang zumindest von der Veterinärmedizin immer verneint wurde. Siehe auch dazu Jennemann & Bidmon (2009).

Literatur

Jennemann G. & H-J. Bidmon (2009): Kotanalysen bei Schildkröten. Ein Bildatlas zur koproskopischen Diagnostik. – Bergheim (Dauvi–Verlag) 64 S.

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