Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Schönbächler - 2022 - 01

Schönbächler, K., P. Olias, O. K. Richard, F. C. Origgi, E. Dervas, S. Hoby, W. Basso & I. Berenguer Veiga (2022): Fatal spirorchiidosis in European pond turtles (Emys orbicularis) in Switzerland. – International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife 17(8): 144-151.

Eine tödliche Spirochätose bei Europäischen Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) in der Schweiz.

DOI: 10.1016/j.ijppaw.2022.01.004 ➚

Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen-Bidmon
Europäische Sumpfschildkröte,
Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Infektionen mit intravaskulären digenen Trematoden aus der Familie der Spirorchiidae (Spirochätosen) sind für die Erhaltungsbiologie ein schwerwiegendes Problem und zwar sowohl für die marine Arterhaltung wie auch für die Erhaltung von Süßwasserschildkröten da sie ein hohes pathologisches Potential aufweisen. Zwischen 2014 und 2021 wurden Infektionen mit Spirorchis sp. in Assoziation mit granulomatösen Entzündungen und dem plötzlichen Versterben bei Europäischen Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) die aus drei Erhaltungszuchtzentren in der Schweiz stammten diagnostiziert. Blutegeleier wurden im Zusammenhang mit Gewebeläsionen in Darm, Milz, Hoden, Skelettmuskulatur, Herz, Nieren, Magen, Pankreas, Leber, Lunge und Hirnhäuten von 9 Europäischen Sumpfschildkröten die zur Nekropsie eingeliefert worden waren gefunden. Ebenso wurden die Eier im Darminhalt bei 5 dieser Exemplare nachgewiesen. Zwei neue Polymerasekettenreaktionen (PCRs) wurden zum Nachweis des 28S ribosomalen RNS-Gens und der ITS2-Region eingesetzt gefolgt von einer Sequenzierung der Gene. Damit konnte nachgewiesen werden, dass eine 100 %ige Übereinstimmung der Nukleotididentität mit Spirorchis sp. die aus einer Escambia-Landkartenschildkröte (Graptemys ernsti) in den USA isoliert worden waren bestand. Unsere Befunde lassen vermuten, dass es zu einem sekundären Übertragungsereignis durch indirekten oder direkten Kontakt zu invasiven nordamerikanischen Süßwasserschildkrötenspezies innerhalb der Schweiz gekommen sein muss. Wir beschreiben die klinischen, hämatologischen, ultrasonographischen, endoskopischen, parasitologischen, pathologischen und molekulargenetischen Befunde die mit dieser Spirochätose verursacht durch die Blutegel bei E. orbicularis einhergegangen sind. Zusätzlich verweisen wir auf die Maßnahmen die im Rahmen der biologischen Sicherheit entwickelt wurden und zukünftig zu ergreifen sind um die Ausbreitung dieser Parasiten der Gattung Spirorchis bei den Zuchtkolonien sowie den freilebenden Populationen dieser hochgradig gefährdeten E. orbicularis in der Schweiz zu verhindern.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dieser Arbeit ist eine ausführliche Einleitung vorangestellt und die Diskussion erörtert nicht nur die phylogenetischen Beziehungen zwischen Arten der Gattung Spirorchis und die Verwandtschaftsbeziehungen die zu der in der Schweiz nachgewiesen Spezies bestehen, sondern sie geht auch auf die möglichen Zwischenwirte die zur Übertragung der Infektion in Frage kommen könnten ein. Allerdings hat eine Untersuchung einer geringen Anzahl Wasserschnecken die aus zwei der Zuchtanlagen stammten bislang noch keine positiven Befunde ergeben. Allerdings denke ich, dass die in der Arbeit diskutierten und als unzulänglich befundenen Methoden zum Nachweis der Parasiten bei noch lebenden E. orbicularis sich durchaus durch molekulargenetische Methoden sowohl bei Schildkröten wie auch bei möglichen Zwischenwirtspezies verbessern lassen, denn es ist heute schon möglich sowohl im Kot wie im Wasser die DNS von Futterpflanzen und Futtertieren nachzuweisen sodass eigentlich auch dem Nachweis der DNS dieser Parasiten zumindest im Kot und im Blut der Schildkröten nichts im Wege stehen dürfte. Wie gut der e-DNS-Nachweis im Wasser der Lebensräume dieser Schildkröten gelingen kann müsste getestet werden und hängt wohl von der jeweiligen Vorhandenseinsintensität der Parasiten ab (siehe dazu Ducotterd et al., 2020). Allerdings dürfte heute schon feststehen, dass diese Parasiten sich nicht nur auf die Schweiz beschränken, da sie auch in anderen europäischen Ländern bei Emys orbicularis nachgewiesen wurden (siehe Jennemann & Bidmon, 2009; Demkowska-Kutrzepa et al., 2018 und die dort angeführte Literatur).

Literatur

Demkowska-Kutrzepa, M., M. Studzińska, M. Roczeń-Karczmarz, K. Tomczuk, Z. Abbass & P. Różański (2018): A review of the helminths co-introduced with Trachemys scripta elegans – a threat to European native turtle health. – Amphibia-Reptilia 39(2): 177-189 oder Abstract-Archiv.

Ducotterd, C., J. Crovadore, F. Lefort, J.-F. Rubin & S. Ursenbacher (2020): A powerful long metabarcoding method for the determination of complex diets from faecal analysis of the European pond turtle (Emys orbicularis, L. 1758). – Molecular Ecology Resources 21(2): 433-447 oder Abstract-Archiv.

Jennemann, G. & H.-J. Bidmon (2009): Infektionen mit Blutparasiten aus der Familie der Spirorchiidae bei Emys orbicularis in Deutschland – auch eine potentielle Bedrohung für die letzten einheimischen Vorkommen der Art? – Schildkröten im Fokus 6(2): 3-18 ➚.

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