Indische Sternschildkröte, Geochelone elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon

Rodrigues - 2016 - 01

Rodrigues, J. F. M. & Y. X. Liu (2016): An overview of same-sex mounting in turtles and tortoises. – Journal of Ethology 34(2): 133-137.

Ein Überblick über die gleichgeschlechtlichen Paarungsaktivitäten bei Wasser- und Landschildkröten.

DOI: 10.1007/s10164-015-0456-2 ➚

Indische Sternschildkröte, Geochelone elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Indische Sternschildkröte,
Geochelone elegans,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Paarungsverhalten zwischen Tieren gleichen Geschlechts stellt eine Verhaltensweise dar, die während der letzten Jahre zunehmend in den Fokus der Verhaltensforschung rückte, um einen Einblick in die ursächlichen Mechanismen die diesem Verhalten zugrunde liegen zu erhalten. Hier in dieser Arbeit liefern wir nach unserem Kenntnisstand erstmals einen Überblick über gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten bei Wasser- und Landschildkröten. Zum derzeitigen Stand sammelten wir dazu Daten, die von 13 Schildkrötenarten stammen. Wir diskutieren diese Daten in Bezug zu den Hypothesen, die am häufigsten in solchen Studien für Schildkröten angeführt werden, wie Intrasexualkonflikte, falsches Anpassungsverhalten (Fehlprägung), unklare Identifizierung oder in Bezug zur gleichgeschlechtlichen Unterdrückungshypothese. Die Zusammenstellung der Daten zeigt deutlich, dass bei jeder der untersuchten Arten gleichgeschlechtliche Paarungen im Zusammenhang mit Dominanzverhalten innerhalb aggressiver/submissiver Interaktionen beschrieben werden, wobei die meisten Fälle in Gefangenschaftshaltungen beobachtet wurden und wobei sich keine Bezüge zu verschobenen Geschlechterverhältnissen ergaben. Zudem diskutieren wir zukünftige Forschungsrichtungen und liefern initiale Ideen zum experimentellen Testen von Hypothesen in der Hoffnung mehr Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet zu initiieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die Autoren liefern eine ausführliche Einleitung zum Thema und auch eine gute Diskussion. Was diese Zusammenstellung allerdings auch deutlich zeigt ist, dass diese Verhaltensweisen bei Schildkröten wenig Beachtung finden und deshalb sehr lückenhaft sind. Ich denke aber, dass viele Schildkrötenhalter dieses Verhalten kennen. Gerade bei den Männchen gehört es wohl auch zum Dominanzverhalten und zur Etablierung von Hierarchien innerhalb der Gruppen oder Populationen. Was mich wirklich an dieser Zusammenstellung wundert ist die Tatsache, dass sie dieses Verhalten für Weibchen nur für die Köhlerschildkröte (C. carbonaria) beschreiben. Mit Ausnahme von der Spaltenschildkröte konnte ich gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten zwischen Weibchen bei allen bislang von mir gehalten Landschildkröten (T. h. boettgeri, T. marginata, A. horsfieldii, G. elegans, G. platynota und A. radiata) beobachten – und zwar unter drei Bedingungen: Zum einen, wenn nur Weibchen über einen längeren Zeitraum zusammengehalten wurden und zum anderen sehr regelmäßig bei Weibchen, die gerade geschlechtsreif wurden – wobei sie sowohl an den Weibchen wie auch Männchen anpaarten (ein Verhalten, dass einen oft bei bestimmten Arten zweifeln lässt, ob es sich wirklich um ein Nachzuchtweibchen handelt) sowie bei Weibchen, die kurz vor der Eiablage standen. Bei G. elegans trat dieses Verhalten immer sehr ausgeprägt vor der Eiablage des dominanten Weibchen auf, was regelmäßig dazu führte, dass die beiden anderen im Gehege untergebrachten Weibchen ihre Eier immer erst nach dem größten und dominantesten Weibchen ablegten und zwar dann oft gleichzeitig (siehe dazu Bidmon 2003). Hier gibt es meiner Meinung nach einen klaren Zusammenhang in Bezug auf dominantes Verhalten zwischen Weibchen und zum Territorialverhalten in Bezug auf den optimalsten Nistplatz. Insofern denke ich, dass diese Verhaltensweisen wie bei anderen Tieren auch sehr weitverbreitet sind und auch zum sozialen Interaktionsrepertoire gehören, die aber nur selten wirklich für so wichtig empfunden werden, als dass sie immer als ein besonderes Verhalten beschrieben werden. Ganz zum Schluss sollte man in Bezug auf die möglichen Hypothesen auch nicht zu viel in diese Verhaltensweisen hineininterpretieren, denn letztendlich gibt es solches Verhalten ja sogar innerhalb unserer eigenen Spezies, wo wir klar wissen wie es einzuschätzen ist (wobei ich mal die moralische Wertung klar außen vor lassen möchte) und dass es wohl nur bei sehr wenigen Spezies im Verlauf der Evolution dazu gekommen ist, dass die Selektion das Auftreten solcher Verhaltensweisen fast völlig auslöschte.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2003): Indische Sternschildkröten Geochelone elegans (Schoepff, 1795): Ihre Terrarien- und Freilandhaltung und Nachzucht. – Emys 10(1): 4-42 oder Abstract-Archiv.

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