Northcutt - 2013 - 01

Northcutt, R. G. (2013): Variation in reptilian brains and cognition. – Brain Behavior and Evolution 82(1): 45-54.

Unterschiede bei Reptiliengehirnen und Kognition.

DOI: 10.1159/000351996 ➚

Die Klasse der Reptilien ist monophyletisch, wenn man alle synapsiden Tetrapoden ausschließt und die Vögel mit einschließt. Die phylogenetische Stellung der Schildkröten ist innerhalb der Reptilien-Klade immer noch problematisch, wobei jüngste microRNA-Daten andeuten, dass Schildkröten eine Schwestergruppe der Lepidosauria darstellen. Die Gehirn-Körper-Beziehungsdaten von 60 Reptilientaxa zeigen, dass die relative Gehirngröße in Bezug zu einem bestimmten Körpergewicht um das Sechsfache innerhalb der Reptilien schwankt, wobei einige Schildkröten und Echsen relativ große Hirne besitzen, während andere Vertreter dieser Taxa kleine Hirne haben. Schlangen sind durch relativ kleine Hirne charakterisiert und Krokodile zeigen die größten Gehirne, die man unter den noch lebenden Reptilien finden kann, wenn man die Vögel unberücksichtigt lässt. Die Daten über die relative Größe der Hirnbestandteile der Tetrapoden sind spärlich, aber die telencephalen und cerebellären Hemisphären stehen für den größten Teil der Unterschiede. Die telencephalen Hemisphären (Großhirn) sind bei Reptilien etwa zweimal größer als bei Amphibien, und die Größe der telencephalen Hemisphären der Warane und Krokodile kommt jenen der basalen Vögel und Säuger gleich. Neue Daten über die relativen Volumina der telencephalen, pallialen Anteile der Tetrapoden zeigen, dass der so genannte Dorsal-Ventrikuläre-Kamm (dorsal ventricular ridge) ein pallialer Anteil für den größten Teil der Zunahme im Pallium der Reptilien steht. Studien zur räumlichen visuellen Kognition bei den nicht zu den Vögeln zählenden Reptilien (Sauropsiden) zeigt, dass sie Labyrinthe erlernen können und visuelle Unterscheidungsleistungen erbringen, die an Schnelligkeit denen der meisten Vögel und Säugetiere in nichts nachstehen. Studien zur sozialen Kognition und dem Erlernen neuer Verhaltensweisen einschließlich des Spielens zeigen eine Komplexität an, die man noch vor Kurzem bei Reptilien, die unterhalb der Vögel stehen, nicht vermutet hätte. Unter diesen Gegebenheiten einer hochentwickelten neuronalen und kognitiven Komplexität ist es durchaus denkbar, dass sich selbst Bewusstsein unabhängig bei mehreren Reptilien entwickelt hat.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier lesen wir also aus berufener Feder, dass auch Reptilien durchaus und sicher je nach Lebensraumanpassung die entsprechenden neuroanatomischen Voraussetzungen mitbringen, die ihnen auch kognitiv höherstehende Leistungen ermöglichen. Etwas das man glaube ich durchaus erwarten dürfte, wenn man die Arbeiten die Literatur dazu in den letzten Jahren verfolgt hat. Siehe die angeführte Literaturliste sowie die angefügten Kommentare.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2012): Hamiltons Gesetz, Selektion nach dem Verwandtschaftsgrad oder gar altruistisches Verhalten bei Spaltenschildkröten? – Schildkröten im Fokus 9(2): 3-26 oder Abstract-Archiv.

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