Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Milinkovitch - 2013 - 01

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Milinkovitch, M. C., R. Kanitz, R. Tiedemann, W. Tapia, F. Llerena, A. Caccone, J. P. Gibbs & J. R. Powell (2013): Recovery of a nearly extinct Galapagos tortoise despite minimal genetic variation. – Evolutionary Applications 6(2): 377-383.

Erholung einer nahezu ausgerotteten Galapagos-Riesenschildkröte trotz einer nur minimalen genetischen Variation.

DOI: 10.1111/eva.12014 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Eine Art der Galapagos-Riesenschildkröten, die endemisch auf der Insel Española lebte, war so stark dezimiert, dass nur noch 12 Weibchen und drei Männchen in Gefangenschaft existierten. Seit 1971 haben diese Individuen über 1700 Nachzuchten produziert, die jetzt als ausgewilderte Schildkröten auf Española leben. Unsere molekulargenetischen Untersuchungen dieser jungen, auf der Insel ausgewilderten und überlebenden Schildkröten zeigten, dass 1994 noch keine der aufgefundenen Schildkröten selbst auf Española geschlüpft war, während im Jahr 2004 schon 3 % der untersuchten Schildkröten wieder selbst auf Española geschlüpft waren, und im Jahr 2007 war diese Zahl schon auf 24 % angestiegen. Diese Entwicklung deutet an, dass sich die Art wieder zunehmend in situ selbst reproduziert. Diese Bestandserholung fand statt, obwohl die Populationsgröße der ursprünglichen Elterntiere effektiv auf kleiner als 8 Individuen geschätzt werden muss, was sich darin begründet, dass nicht alle Mitglieder der ursprünglichen Elternpopulation in gleicher Weise zur Reproduktion beitragen, sondern auch eine nicht nachdem Zufallsprinzip erfolgende Verpaarung gegeben war. Die Ergebnisse liefern Richtlinien zur Anpassung des Nachzuchtprogramms mit den in menschlicher Obhut gehaltenen Elterntieren, um somit dafür zu sorgen, dass die Inzuchtrate bei der Population der ausgewilderten Schildkröten gesenkt werden kann. Unter Anwendung einfacher morphologischer Daten, die an den untersuchten Tieren gesammelt werden, zeigt sich, dass die Verteilung Größenklassen sehr heterogen ist und heute eine große Varianz auf Española bietet. Diese Größenunterschiede sind das Ergebnis der stark schwankenden Zahlen ausgewilderter Nachzuchten während der letzten 40 Jahre. Unsere Studie verdeutlicht, dass sich einige bedrohte Spezies zumindest kurzfristig sehr schnell erholen können, obwohl sie unter einem Mangel an genetischer Variabilität leiden und unter irregulär schwankenden Auswilderungserfolgen beeinträchtigt werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit verdeutlicht, dass sich Populationen, solange die Habitate, sprich Lebensräume intakt geblieben sind, sehr wohl schnell erholen können, ja es geht sogar so weit, dass sie sich unter solchen Bedingungen sogar negativen bestandbedrohenden Einflüssen erfolgreich stellen können (Fordham et al. 2007, 2008; Wolak et al. 2010). Allerdings – und darauf möchte ich deutlich hinweisen – sprechen auch hier die Autoren von kurzfristigen Erholungen, denn sie zitieren in ihrer Einleitung genug Beispiele, wie genetische Verarmung sich langfristig nachteilig auswirken. Ob dies bei Schildkröten immer so sein muss, muss sich noch zeigen, denn es gibt einige wenige Indizien, dass es auch anders sein könnte (Shoemaker et al. 2013), ein Umstand, der dringenden Forschungsbedarf fordert, denn bislang kennen wir für langlebige Schildkröten die Auswirkungen zu wenig und leiten oft vieles von den an Säugetieren oder Vögeln erhobenen Befunden ab (siehe auch: Belgrano & Fowler 2013, Gonzales 2013 oder Kommentar zu Hennessy 2013). Zum Abschluss noch die Frage, worauf eigentlich diese genetische Verarmung beruhte. Im Wesentlichen begründet sie sich aus der Tatsache, dass es fast ausschließlich der Schildkrötenmann namens Diego war, der innerhalb des Nachzuchtprogamms für Chelonoidis nigra hoodensis in der Darwinstation für Nachwuchs sorgte (Hennessy 2013).

Literatur

Belgrano, A. & C. W. Fowler (2013): How Fisheries Affect Evolution. – Science 342: 1176-1177.

Fordham, D. A., A. Georges & B. W. Brook (2007): Demographic response of snake-necked turtles correlates with indigenous harvest and feral pig predation in tropical northern Australia. – Journal of Animal Ecology 76(6): 1231-1243 oder Abstract-Archiv.

Fordham, D. A., A. Georges & B. W. Brook (2008): Experimental evidence for density-dependent responses to mortality of snake-necked turtles. – Oecologia 159(2): 271-281 oder Abstract-Archiv.

Gonzales, A. (2013): The ecological deficit: The almost complete extinction of small mammals in forest islands within 25 years of the construction of a reservoir that fragmented the habitat provides a striking example of delayed biodiversity loss. – Nature 503: 206-207.

Hennessy, E. (2013): Producing ‘prehistoric’ life: Conservation breeding and the remaking of wildlife genealogies. – Geoforum 49: 71-80 oder Abstract-Archiv.

Shoemaker, K. T., A. R. Breisch, J. W. Jaycox & J. P. Gibbs (2013): Reexamining the Minimum Viable Population Concept for Long-Lived Species. – Conservation and Biology 27(3): 542-551 oder Abstract-Archiv.

Wolak, M. E., G. W. Gilchrist, V. A. Ruzicka, D. M. Nally & R. M. Chambers (2010): A Contemporary, Sex-Limited Change in Body Size of an Estuarine Turtle in Response to Commercial Fishing. – Conservation Biology 24(5): 1268-1277 oder Abstract-Archiv.

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