Carolina-Dosenschildkröte, Terrapene carolina, – © Hans-Jürgen Bidmon

Martin - 2020 - 02

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Martin, A. K. & K. V. Root (2020): Challenges and Opportunities for Terrapene carolina carolina under Different Climate Scenarios. – Remote Sensing 12(5): 836.

Veränderungen und neue Möglichkeiten für Terrapene carolina carolina unter verschiedenen Klimaszenarien.

DOI: 10.3390/rs12050836 ➚

Carolina-Dosenschildkröte, Terrapene carolina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Carolina-Dosenschildkröte,
Terrapene carolina,
© Hans-Jürgen Bidmon

Eine unvergleichlich schnelle globale Klimaveränderung als Resultat der menschlichen Beeinflussungen wirkt sich sowohl auf endotherme wie auch auf ektotherme Lebewesen aus. Insbesondere die Ektothermen wie die Reptilien sind davon betroffen und leiden unter stark rückläufigen Populationen, da ihnen auch die Abwanderungsmöglichkeiten anderer Taxa oft fehlen. Innerhalb der Vereinigten Staaten gibt es viele geschützte Gebiete, allerdings sind diese meist stark fragmentiert wodurch die Ausbreitung bzw. Abwanderung behindert wird. Wir untersuchten die Artverbreitung und die Ausbreitungsmöglichkeiten für Terrapene carolina carolina, einer bedrohten Spezies die relativ kleine Home ranges hat und deren Ausbreitungspotential gering ist. Wir entwickelten Klimatische-Nutzungsmodelle (die die optimale Temperatur anzeigen) und die deren Verschiebung vorhersagen und die die wichtigen Vorhersagekriterien anzeigen, sodass wir damit die von den Schildkröten noch zu besiedelnden Habitate vorhersagen können. Wir modellierten drei Perioden auf Basis von MaxEnt und stellten die Hypothese auf, dass sich die nutzbaren Habitatflächen nach Norden ausdehnen. Wir fanden, dass die meisten von den Tieren nutzbaren Habitate sich am nördlichen Ende des derzeitigen Verbreitungsgebiets auftun und dass die Durchschnittstemperatur des trockensten Quartals im Jahr den größten Einfluss auf diese Zukunftsprognosen hatte. Insgesamt zeigten sich relativ moderate Veränderungen für die nutzbaren Habitate, aber dort wo diese Veränderungen auftreten wird es notwendig sein, dass diese sich verlagernden Habitatflächen zugänglich (für die Tiere erreichbar) sind. Als Beispiel untersuchten wir auf einer lokalen Skala die Bewegungsmuster innerhalb einer Region mit Eichenbestand in der es zu neuen Lichtungen gekommen war und wir fanden dabei heraus, dass die Individuen durchaus in der Lage sind ihren Lebensraum in diese neuentstandenen und nutzbaren Habitate zu verlagern. Allerdings werden sie dabei durch andere physikalische Barrieren in ihrer Ausbreitung behindert. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es eine Notwendigkeit gibt diese bedrohte Reptilienspezies zu erhalten wobei unsere Ergebnisse andeuten, dass T. c. carolina ihre Verbreitungsgebiete nach Norden ausdehnen oder verschieben wird. Wir schlagen deshalb vor, dass Landschaftsmanager die Konnektivität zwischen den Schutzgebieten insbesondere nach Norden hin vergrößern, um deren Verbreitungsgebietsverlagerung zu fördern, aber zukünftige Studien sollten auch die dynamischen ökologischen Faktoren auf einer kleinräumigeren Skala untersuchen und mit in die Managementbemühungen integrieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine durchaus überdenkenswerte Untersuchung, die zwar wahrscheinlich wie alle Modellierungen erst noch einer genaueren Analyse in der Natur bedarf, die aber doch eine durchaus nachvollziehbare grobe Richtung vorgibt. Sicher werden da auf einer feineren räumlichen Skala auch etliche andere Faktoren, wie Bewuchs, Beschattung auch durch geologische Formationen vor Ort eine Rolle spielen, aber die Feststellung, dass selbst meist als standorttreue Tiere beschriebene Dosenschildkröten diese hier auch an einer Beispielpopulation untersuchte adaptive Plastizität in Bezug auf die Lebensraumverschiebung und Ausweitung zeigen lässt hoffen. Und ich denke diese Hoffnung ist begründet! Denn auch die molekularbiologischen Verwandschafts- und Abstammungsdaten (Hofmeyr et al., 2017; Reid et al., 2019) legen ja nahe, dass es auch früher schon zu solchen dem Klimawandel geschuldeten Lebensraumverlagerungen kam (z.B. Rückzugsgebiete während der Eiszeiten und Lebensraumerweiterungen während der Warmphasen). Was wir aber heute mitberücksichtigen müssen sind eben die durch uns Menschen verursachten Landschaftsfragmentierungen und Konnektivitätsverluste durch Urbanisierung, Straßenbau und Landwirtschaft. Ja und dort wo wir es nicht mehr schaffen diese Konnektivität aufrecht zu erhalten müssen wir eben auch Tiere aktiv umsiedeln, auch wenn viele Artreinerhalter dabei ein ungutes Gefühl haben mögen. Es ist ganz einfach, wenn man sich davon verabschiedet Arten und Lokalformen als etwas Statisches „schon immer während meiner menschlichen Lebenszeit Dagewesenes“ anzusehen und anfängt sie als etwas Dynamisches zu verstehen, wobei ihnen diese Dynamik wahrscheinlich von Anbeginn ihrer Zeit in Form von adaptiver Plastizität zu eigen war. Genauso wie wir uns über Jahrtausende zwar an sogenannten Fixsternen orientiert haben und doch lernen mussten, dass das Weltall dynamisch ist und ständig expandiert.

Literatur

Hofmeyr, M. D., M. Vamberger, W. Branch, A. Schleicher & S. R. Daniels (2017): Tortoise (Reptilia, Testudinidae) radiations in Southern Africa from the Eocene to the present. – Zoologica Scripta 46(4): 389-400 oder Abstract-Archiv.

Reid, B. N., J. M. Kass, S. Wollney, E. L. Jensen, M. A. Russello, E. M. Viola, J. Pantophlet, J. Iverson, M. Z. Peery, C. J. Raxworthy & E. Naro-Maciel (2019): Disentangling the genetic effects of refugial isolation and range expansion in a trans-continentally distributed species. – Heredity 122(4): 441-457 oder Abstract-Archiv.

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