Luan - 2020 - 01

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Luan, J., X. Jin, Y. Lu & L. Zhang (2020): SARS-CoV-2 spike protein favors ACE2 from Bovidae and Cricetidae. – Journal of Medical Virology 18(7): 438-453.

SARS-CoV-2 Stachelprotein favorisiert ACE2 der Bovidae und Cricetidae.

DOI: 10.1002/jmv.25817 ➚

SARS-CoV-2 verursacht die derzeitige COVID-19 Gesundheitskrise. Fledermäuse werden von den meisten als das Ursprungswirtstier für SARS-CoV-2 angesehen. Allerdings sind die möglichen Zwischenwirte für das Virus – bevor es auf den Menschen übertragen wurde – immer noch nicht klar identifiziert. Einige Studien behaupteten das Schuppentiere, Schlangen und Schildkröten als Zwischenwirte fungiert haben könnten. ACE2 ist der Rezeptor für SARS-CoV-2 der dafür bestimmend ist welche Wirte als potentielle SARS-CoV-2-Überträger infrage kommen. Basierend auf Strukturinformationen zum menschlichen Komplex von ACE2 und ACE2 and SARS-CoV-2-RBD analysierten wir die Affinität (Bindungsvermögen) zum S-Protein der 20 Schlüsselenden des ACE2 von Säugetieren, Vögeln, Schildkröten und Schlangen. Etliche ACE2-Proteine von Primaten, Bovidae (Paarhufer,Huftiere), Cricetidae (wühlende Nagetiere) und Cetacea (Wale) behielten in ihrer Evolution die meisten der Schlüsselenden des ACE2 bei, die in Assotiation mit SARS-CoV-2 RBD treten könnten. Die simulierten Strukturen zeigten aber, dass die ACE2-Proteine der Bovidae und Cricetidae jene sind, die sich mit SARS-CoV-2-RBD verbinden können. Wir fanden zudem, dass nahezu die Hälfte der Schlüsselenden von Schildkröten, Schlangen und Vögeln verändert waren. Die simulierten Strukturen zeigten, dass etliche der Schlüsselkontaktstellen die zur Bindung an SARS-CoV-2-RBD nötig sind bei den Schildkröten- und Schlangen-ACE2 fehlten. Unsere Studie zeigt daher das weder Schlangen noch Schildkröten als Zwischenwirte für SARS-CoV-2 infrage kommen, was zudem das gängige Konzept unterstützt, das davon ausgeht, dass Reptilien gegenüber einer Coronavirus-Infektion resistent sind. Unsere Studie legt nahe, dass aber Bovidae und Cricetidae in die Suche nach möglichen Zwischenwirten für SARS-CoV-2 mit einbezogen werden sollten.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit dürfte vielleicht für einige Reptilienfreunde/innen eine Entwarnung gegenüber der früheren Arbeit (Liu et al., 2020) darstellen, auch wenn das jetzt dazu führen dürfte, dass Reptilien wieder auf chinesischen Speisekarten häufiger zu finden sein werden. Sie zeigt wie fieberhaft die chinesischen Wissenschaftler die Ursachenforschung versuchen voranzutreiben wobei auch diese Arbeit computermodellbasierte Proteinbindungssimulationen mit einbezieht die die Stärke mit der sich SARS-CoV-2-RBD und Angiotensin-konvertierendes Enzym2 miteinander verbinden können.
Allerdings zeigen uns diese zwei kurz nacheinander erschienen Arbeiten zum einen, dass Wissenschaft und insbesondere, wenn sie nur auf Computermodellierungen beruht nicht unfehlbar ist und zum zweiten verdeutlicht sie uns wie wichtig der Reviewprozess, also die Begutachtung wissenschaftlicher Arbeiten durch andere Fachwissenschaftler vor einer Veröffentlichung ist. Dieser oft langwierige Begutachtungsprozess wurde in Übereinstimmung mit allen wissenschaftlichen Zeitschriften und Institutionen für Publikationen die sich mit dem Coronavirus beschäftigen ausgesetzt und man hat sich darauf geeinigt, dass die Daten sofort nach Einreichung bei einem wissenschaftlichen Zeitungsverlag veröffentlicht werden, damit die neuen Daten sofort und weltweit für alle anderen Wissenschaftler zur Verfügung stehen, um sie eventuell zur Bekämpfung der Krise so schnell wie möglich nutzen zu können. Was dabei zutage tritt ist natürlich, dass auch verstärkt fehlerhafte Befunde in den Publikationen auftauchen die eventuell durch einen guten Begutachtungsprozess hätten vermieden oder abgemildert werden können.
Solche Begutachtungen und logisches Mitdenken sollte bei der Beurteilung von eingereichten Manuskripten oder erschienen Publikationen immer an vorderster Stelle stehen, denn niemand ist fehlerfrei und ohne Fehler kommt nur der oder die durchs Leben die nichts tun. In diesem Sinne sind gute Begutachtungen durchaus wertvoll selbst dann, wenn sie den Prozess des Publizierens verlangsamen, denn sie helfen auch den Autoren Fehler zu vermeiden, zumindest dann, wenn es sich um gute und vor allem wertfreie Begutachtungen handelt. Denn auch „schlechte“ Gutachter verfolgen manchmal eigennützige Ziele um sich z. B. Konkurrenz vom Leibe zu halten. Deshalb sollten sich vielleicht auch so manche nicht so wissenschaftlichen Journale manchmal einen zweiten Blick erlauben bevor sie vielleicht junge Nachwuchstalente ins offene Messer laufen lassen. Ein schönes Beispiel dafür habe ich erst jüngst wieder gelesen, wo ein sicherlich enthusiastischer junger Autor schrieb, dass das humorale Immunsystem bei Schildkröten keine Rolle spielt, weil sie keine Lymphknoten wie die Säuger hätten. Leider stimmt das aber nicht so ganz, weil sie zum einen dazu jene in der Milz nutzen (Flajnik, 2018) und zum anderen die peripheren Lymphfollikel etwas anders aufgebaut sind und deshalb auch einen anderen Namen in ihrer wissenschaftlichen Erstbeschreibung bekommen haben. Auch jeder der/die schon mal davon gehört hat, dass Schildkröten Antikörper gegen Mykoplasmen oder Herpesviren bilden, müsste so etwas auffallen, denn wo sollten die sonst herkommen und auch ohne deren genaue Herkunft vielleicht zu kennen, würden sie nach den wissenschaftlichen Definitionen dem Humoralen-Immunsystem zugerechnet werden. Denn nur davon auszugehen, dass etwas weniger wichtig zum Überleben ist, weil es im Körper etwas weniger oder undeutlicher auftritt, ist eigentlich genauso falsch wie die Behauptung: Für uns ist das Herz unwichtiger als die Nieren, denn wenn das Herz so wichtig wäre wie die Nieren müssten wir – wie bei den Nieren – auch zwei davon haben. Wer an letzteres glauben mag, der sollte zumindest aus kardiologischer Sicht den Oktopus als Krönung der Schöpfung betrachten, denn der hat bekanntlich sogar 3 Herzen.
So bedrohlich und einschränkend uns diese Coronakrise auch treffen mag so zeigt sie uns aber auch die verschiedensten Wege wie wir daraus für unterschiedlichste menschliche Vorgehensweisen etwas lernen können. In diesem Sinne nutzen sie die Zeit und bleiben sie gesund!

Literatur

Flajnik, M. F. (2018): A cold-blooded view of adaptive immunity. – Nature Reviews Immunology 18: 438-453.

Liu, Z., X. Xiao, X. Wei, J. Li, J. Yang, H. Tan, J. Zhu, Q. Zhang, J. Wu & L. Liu (2020): Composition and divergence of coronavirus spike proteins and host ACE2 receptors predict potential intermediate hosts of SARS-CoV-2. – Journal of Medical Virology – Epub 26. Feb. 2020 oder Abstract-Archiv.