Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, ein albinotischer Schlüpfling – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)

Li - 2018 - 01

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Li, T., P. Cao, Y.-J. Bei & W.-G. Du (2018): Latitudinal and Temperature-Dependent Variation in Embryonic Development Rate and Offspring Performance in a Freshwater Turtle. – Physiological and Biochemical Zoology 91(1): 673-681.

Breitengrad- und Temperatur-abhängige Unterschiede bei der embryonalen Entwicklungsrate und Schlüpflingsbeweglichkeit bei einer Süßwasserschildkröte.

DOI: 10.1086/694856 ➚

Chinesische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis, – © Robert Hentschel (www.chrysemys.com)
Chinesische Weichschildkröte,
Pelodiscus sinensis,
© Robert Hentschel
(www.chrysemys.com)

Die thermischen Umweltbedingungen der Embryonen verändern sich signifikant mit den Breitengraden und die Mechanismen mit denen die Embryonen auf diese geographischen Verschiebungen reagieren rückten zunehmend in das Interesse der Forschung. Hier führten wir normale Freilandexperimente durch, wobei wir Eier bei zwei verschieden fluktuierenden Temperaturen inkubierten um zu untersuchen wie sich dieses Breitengrad-abhängige Muster und die embryonale Entwicklungsrate sowie die Fitness der Schlüpflinge bei der chinesischen Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis) in Abhängigkeit zu diesen Temperaturprofilen verändert. Unsere Ergebnisse zeigten, temperaturbezogene und populationsspezifische Interaktionen in Bezug auf die Unterschiede bei der Dauer der Inkubationsperiode und der Umdrehreaktion der Schlüpflinge. Die Inkubationszeit verkürzte sich und die tägliche Herzschlagrate erhöhte sich bei den Populationen der mittleren und höheren Breitengrade im Vergleich zu denen der bei niedrigeren Temperaturen inkubierenden Population des niedrigen Breitengrades, aber nicht bei höheren Temperaturen. Die Schlüpflinge der Populationen aus dem mittleren und höheren Breitengrad zeigten eine schnellere Umkehrreaktion aus Rückenlage als jene aus der Population vom niedrigen Breitengrad die bei niedrigen Temperaturen inkubierten. Allerdings zeigten die Schlüpflinge der Population vom hohen Breitengrad eine schnellere Umkehrreaktion als jene des mittleren Breitengrades, wenn sie bei hohen Temperaturen inkubiert worden waren. Diese Ergebnisse deuten an, dass Embryonen die aus Regionen von unterschiedlichen Breitengraden stammen unterschiedliche Sensitivitäten gegenüber der Temperatur aufweisen und entsprechend unterschiedlich in Bezug auf ihre Embryonalentwicklung und somit auf die Nestumgebung reagieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch hier wieder ein klarer Hinweis darauf, dass sich bezüglich der Inkubation Breitengrad- und Umweltabhängige populationsspezifische Unterschiede in Bezug zur Embryonalentwicklung abzeichnen. Was dabei besser ist bleibt fraglich! Und meiner Meinung nach kann aufgrund dieser Ergebnisse die Umkehrreaktion auch nicht unbedingt als Maß für die Schlüpflingsfitness herhalten, denn eigentlich müssen auch die Schlüpflinge der Populationen von niedrigeren Breitengraden an ihre Umwelt optimal sprich überlebensfähig angepasst sein und wenn die sich unter diesen Bedingungen langsamer umdrehen müssen mag das in ihrer Umwelt für sie kein Nachteil sein. Insofern kann man diese Übung zwar als Fitnesstest zwischen Gelegegeschwistern aus dem gleichen Nest sicher gut anwenden aber für einen Verglich zwischen unterschiedlichen Populationen erscheint er mir mehr als fraglich. Diese Daten erinnern aber auch wieder daran, dass das nicht nur für Arten mit ererbten Geschlecht gilt, denn solche Populationsunterschiede kann es auch bei Arten mit temperturabhängiger Geschlechtsausprägung geben und dann müsste man eigentlich schon wissen aus welchen Populationen die Elterntiere stammen wenn man in etwa die Pivotaltemperatur abschätzen möchte und die Eier so inkubieren möchte, dass sich ein bevorzugtes Geschlecht entwickelt und schlüpft. Ansonsten kann es schwierig werden die Gelege entsprechend zu inkubieren. Letzteres kann sich auch schon bei der Haltung der Elterntiere bemerkbar machen insbesondere dann wenn die Elterntiere schon als Nachzuchten bei einer bestimmten Temperatur aufgezogen wurden und die Reaktionsspanne für die Temperatursensitivität eventuell über epigenetische Faktoren (siehe Bidmon, 2018) an ihre Nachkommen vererben, dann können sich auch Verschiebungen für die Pivotaltemperatur und die Geschlechtsausprägung ergeben. Siehe dazu auch Kommentare zu Ge et al., 2018; Renner et al., 2016 und die dort zitierte Literatur.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2018): Das Humangenomprojekt, Epigenetik und die Zukunft von Reptilien temperaturabhängiger Geschlechtsausprägung – Ein Kommentar. – Schildkröten im Fokus 15(3): 11-18, 2018 ➚.

Ge, C., J. Ye, C. Weber, W. Sun, H. Zhang, Y. Zhou, C. Cai, G. Qian & B. Capel (2018): The histone demethylase KDM6B regulates temperature-dependent sex determination in a turtle species. – Science 360(6389): 645-648 oder Abstract-Archiv.

Renner, S. S. (2016): A Return to Linnaeus's Focus on Diagnosis, Not Description: The Use of DNA Characters in the Formal Naming of Species. – Systematic Biology 65(6): 1085-1095 oder Abstract-Archiv.

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