Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Lewbart - 2005 - 01

Lewbart, G. A., J. Kishimori & L. S. Christian (2005): The north Carolina state university college of veterinary medicine turtle rescue team: a model for a successful wild-reptile clinic. – Journal of Veterinary Medical Education 32(3): 377-381.

Das Schildkrötenrettungsteam des College für Veterinärmedizin der Staatlichen Universität von North Carolina: Ein Modell für eine erfolgreiche Klinik für wild lebende Reptilien.

DOI: 10.3138/jvme.32.3.377 ➚

Das Schildkrötenrettungsteam des College für Veterinärmedizin der North Carolina State Universität (NCSU-CVM) ist eine von Veterinärmedizinstudenten getragene und organisierte Einrichtung zur klinischen Versorgung von erkrankten und verletzten frei lebenden Schildkröten. Studenten des ersten, zweiten und dritten Studienjahrgangs sind eigenverantwortlich für Fallmanagement, Koordination der Einzelkonsultationen (bei Spezialisten für bestimmte Untersuchungen), Durchführung der diagnostischen Tests innerhalb der Tierklinik sowie für Unterbringung, Versorgung und in Absprache mit Naturschützern für Wiederauswilderung. Zahlreiche klinische Forschungsarbeiten konnten bislang aus diesem Projekt, das es ermöglicht mit Wildtieren zu arbeiten, publiziert werden. Aktiv teilnehmende Studenten bekommen ihre Leistungen als Kurs angerechnet, zusammen mit einer achtstündigen Vorlesung und einem Seminar in Reptilienmedizin. In Bezug auf die Projektauswertung und Beurteilung ergab sich, dass das Projekt von 86 % der Teilnehmer sehr bzw. ausgesprochen erfolgreich in Bezug auf ihre praktische, veterinärmedizinische Ausbildung beurteilt wurde. Die logistischen und organisatorischen, unterstützenden Voraussetzungen zur Durchführung dieser Serviceleistung werden diskutiert, wobei heute schon von den Ergebnissen der Wert als ein klinisches Lerninstrument belegt wird.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Ein sehr schönes Beispiel, wie praktische Ausbildung während des Studiums genutzt wird, kostengünstige veterinärmedizinische Hilfe für wild lebende Reptilien anzubieten. Etwas, das man sich hierzulande durchaus auch einmal zu Herzen nehmen könnte. Sicher, in Bezug auf Schildkröten hätten wir ja außer Emys orbicularis weit weniger zu bieten, als unsere amerikanischen Freunde, allerdings vermisst man hier, wenn es nicht privat oder von Tierschutzorganisationen angeboten wird so etwas sogar für z. B. Igel. Wenn ich mir dann noch überlege, wie viele Hilfesuchende sich in den letzten Jahren in Bezug auf Reptilien beschwert haben, dass selbst die früher oft telefonisch gegebenen Auskünfte nun auch hierzulande verweigert werden, kann man leicht verstehen, was so mancher Ausländer unter deutscher Kleinkariertheit bzw. der Angst, es könne ja jemandem ein Euro verloren gehen, versteht. Sicher, die amerikanischen Universitäten haben es leichter, so etwas zu finanzieren, weil dort Forschung und damit auch der Forschungsetat einen anderen Stellenwert haben als bei uns. Das sieht man auch an diesem Abstract, in dem der Verweis auf die aus dem Projekt hervorgegangenen – im Science Citation Index gelisteten – Forschungsarbeiten nicht fehlt, während bei uns Hochschulkarieren mit ein paar Publikationen in Journalen begonnen werden können, die dort gar nicht aufgeführt werden. Man liest zwar manchmal, dass Reptilienkadaver für bestimmte Studien gesucht werden, aber für welche? Auch bei uns werden gute Forschungsprojekte gefördert, wenn es jemanden gibt, der entsprechende Programme beantragt.
Die amerikanischen Kollegen zeigen ja gerade, dass einige Reptilien in der Grundlagenforschung zum Thema „Ageing Research/Altersforschung“ einiges Hochkarätiges zu bieten haben. Dass damit natürlich auch Fragestellungen von veterinärklinischer Bedeutung verbunden sind, liegt auf der Hand, so dass auch hier für solche Vorhaben Gelder zu bekommen wären. Hier sähe ich ein gutes Betätigungsfeld für ernsthaft an Reptilien und Amphibien interessierten Hochschulveterinären und auch Terrarianern. Sicher müssen hier der Kosten wegen beide Gruppen aufeinander zugehen, und auch die Terrarianer müssen akzeptieren, dass Studenten noch keine Spezialisten sind, aber hier gäbe es ein breites praktisch-klinisches Ausbildungs- und Forschungspotential, das genutzt werden sollte. Zudem öffnet es Ausbildungschancen, die in Bezug auf die Nachwuchsförderung sicher dafür sorgen würden, dass es in 10 bis 15 Jahren eben nicht mehr heißt, „ich habe keinen Reptilien erfahrenen Tierarzt in meiner Nähe“. Je seltener die Arten werden, desto mehr Nachfrage wird in Zukunft bestehen. Oder wollen Sie dass die entsprechenden Stellen in Zoologischen Gärten der deutschsprachigen Länder in absehbarer Zeit gleich mit besser ausgebildeten Amerikanern besetzt werden? Auch die Niedergelassen würden langfristig davon profitieren, denn sie könnten die so erarbeiteten und veröffentlichten Ergebnisse zum Wohle der Patienten nutzen und mit zufriedeneren Klienten auch mehr erwirtschaften.