Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer

Jennings - 2015 - 01

Jennings, W. B. & K. H. Berry (2015): Desert Tortoises (Gopherus agassizii) Are Selective Herbivores that Track the Flowering Phenology of Their Preferred Food Plants. – PLoS One 10(1): e0116716.

Wüstengopherschildkröten (Gopherus agassizii) sind selective Herbivore die die Blütezeiten ihrer bevorzugten Futterpflanzen genau verfolgen.

DOI: 10.1371/journal.pone.0116716 ➚

Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer
Kalifornische Gopherschildkröte,
Gopherus agassizii,
© H. Bradley Shaffer

Frühere Studien zur Ökologie des Fressverhaltens von Wüstengopherschildkröten die in der westlichen Mojave-Wüste durchgeführt worden waren legen nahe, dass es sich bei diesen Schildkröten um selektive Pflanzenfresser handelt die ihre Nahrungsaufnahme nach der zeitlichen Verfügbarkeit ihrer bevorzugten Futterpflanzen verändern. Diese Studien berücksichtigten aber nicht die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit der bevorzugten ephemeralen Futterpflanzen, denn deren Vorkommenshäufigkeit ist starken Schwankungen während des Frühjahrs unterworfen. In dieser Studie beobachteten wir 18 adulte wildlebende Schildkröten wie sie insgesamt 35.388 Bisse an Futter während der Frühjahrssaison aufnahmen. Wir nahmen zudem eine Abschätzung der relativen Vorkommenshäufigkeit der Futterpflanzen mit in die Studie auf indem wir unsere Beobachtungen über verschiedene phänologische Perioden während des 3 monatigen Frühjahrs ausdehnten und verschiedene Habitate und Mikrohabitate mit einbezogen. Diese Methode erlaubte es statistische Tests durchzuführen die die aufgenommene Pflanzennahrung der Schildkröten mit der Vorkommenshäufigkeit der Futterpflanzen überprüften. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Landschildkröten die Futterpflanzen während der Saison nicht nach dem Zufallsprinzip auswählen. Eine Beobachtung die die Hypothese unterstützt, dass Wüstenschildkröten auf bestimmte Schlüsselpflanzenarten während der unterschiedlichen phänologischen Perioden des Frühjahrs angewiesen sind. Zudem fraßen die Schildkröten die Pflanzen nur wenn sie sich in einem sukkulenten Phänotyp befanden (am Wasserreichsten waren) und dieses Verhalten änderten sie nur während der allerletzten Wochen des Frühjahrs also zu einer Zeit in der die meisten einjährigen Pflanzen und die Kräuter vertrockneten und die meisten Schildkröten kaum noch Futter aufnahmen oder die Nahrungsaufnahme ganz einstellten. Viele bekannte Futterpflanzenarten und auch häufiger gefressene Pflanzenarten erfassten wir in unseren Pflanzenerhebungen (Begehungen) gar nicht (zu selten) und trotzdem waren die Schildkröten in der Lage sie innerhalb ihres Lebensraums (Home range) zu lokalisieren. Über 50 % der Bisse an Futterpflanzen fanden an Pflanzen aus dieser Gruppe die wir selbst kaum auffinden konnten statt. Interessanterweise, fokussierten sich die Schildkröten dabei hochgradig auf Pflanzenarten die zu den Leguminosen (Schmetterlingsblütlern) zählen, die ein sehr nahrhaftes Futter aufgrund ihres hohen Stickstoffgehalts (Proteingehalts) darstellen. Wir vermuten, dass krautige mehrjährige Pflanzen, die in unserem Untersuchungsgebiet sehr selten vorkamen dennoch etwa 30 % der Schildkrötennahrung ausmachten und die deshalb eine hohe Wichtigkeit für die Erhaltung der Schildkrötenpopulationen haben da sie während sehr trockener Jahre wenn die natürlich vorkommenden einjährigen Pflanzen oft fehlen die Ernährung sichern. Diese Befunde zeigen deutlich die Anfälligkeit der Wüstenschildkröten gegenüber dem Klimawandel wenn dieser Wandel die Verfügbarkeit ihrer bevorzugten Futterpflanzen negativ beeinflusst.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine weitere sehr detaillierte Beobachtung und Beschreibung dafür, dass Landschildkröten wie schon in anderen Studien auch für andere Schildkrötenspezies festgestellt proteinreiche Pflanzen bevorzugt nutzen und keine Kostverächter von energiereichem Futter sind. Der Unterschied zu Haltungsbedingungen besteht nur dadurch, dass im natürlichen Lebensraum diese Futteraufnahmeperioden vergleichsweise kurz sind, da sie die meiste Zeit des restlichen Jahreszyklus in Ruhephasen verbringen in denen kaum oder nur sehr kurzfristig nach sporadischen Regenfällen Nahrung aufgenommen wird. Was mir an dieser Studie noch auffällt, ist die Tatsache, dass wenn die Schildkröten 50 % ihrer Nahrung mit Pflanzen abdecken die so selten sind, dass sie von den Wissenschaftlern bislang übersehen wurden wir bis dato auch über gar kein vollständiges Bild ihrer Ernährungssituation hatten. Ob dies nur daran lag, dass Schildkrötenökologen/innen eher eine zoologische als botanische Vorbildung besitzen mag ich hier nicht diskutieren, aber der Befund ist schon als auffällig zu bezeichnen und er zeigt, dass die Schildkröten ihren Lebensraum wesentlich besser kennen. Was uns aber auch noch zu denken geben sollte ist dabei auch wieder die Feststellung, dass selbst bei diesen Spezies die Leguminosen also die stickstofffixierende, proteinreichste Pflanzengruppe eine wichtige Rolle zu spielen scheint. (Siehe dazu Bidmon, 2009; Del Vecchio et al., 2011).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Del Vecchio, S., Burke, R. L., Rugiero, L., Capula, M. & L. Luiselli (2011): Seasonal changes in the diet of Testudo hermanni hermanni in Central Italy. – Herpetologica 67(3): 236-249 oder Abstract-Archiv.

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