Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, Einjähriges Jungtier im Aquaterrarium – © Hans-Jürgen Bidmon

Fujii - 2014 - 01

Fujii, R., H. Ota & M. Toda (2014): Genetic and Morphological Assessments of Hybridization Between Two Non-Native Geoemydid Turtles, Mauremys reevesii and Mauremys mutica, in Northcentral Japan. – Chelonian Conservation and Biology 13(2): 191-201.

Genetische und morphologische Erfassung der Hybridisation zwischen zwei nicht einheimischen geoemydiden Schildkröten, Mauremys reevesii und Mauremys mutica im nördlichen zentralen Japan.

DOI: 10.2744/CCB-1067.1 ➚

Interspezifische Hybridisierungen zwischen den Spezies geoemydider Schildkröten in den unterschiedlichsten Kombinationen wurden schon mehrfach berichtet, allerdings wurden bislang die genetischen Konsequenzen daraus nur selten untersucht. Wir untersuchten den Hybridstatus von 40 Individuen aus einer offensichtlich hybridisierenden Schildkrötenansammlung in einem natürlichen Teich im nördlichen Zentralhonshu, Japan. Die Analyse der mtDNS-Sequenzen bestätigte, dass die Elterntiere dieser Ansammlung aus Mauremys reevesii (Chinesische Dreikielschildkröte) und Mauremys mutica (Gelbe Sumpfschildkröte) bestanden, wobei keine dieser beiden Spezies auf den Hauptinseln Japans als einheimisch zu bezeichnen sind, obwohl M. reevesii im 19. Jahrhundert als natürlich vorkommend für die Region akzeptiert worden war. Eine sorgfältige Untersuchung von noch artreinen Tieren dieser Abstammungslinien für beide Arten ergab 10 morphologische und 10 genetische, diagnostisch wertvolle Charaktere (Allozyme und kurze verteilt liegende repetitive Elemente), die dazu benutzt werden konnten, den Hybridstatus der Schildkröten innerhalb der Ansammlung zu bestimmen. Die morphologische Untersuchung zeigte, dass 19 der 40 Schildkröten sich nicht von artreinen M. reevesii unterschieden, aber die restlichen 21 Individuen zeigten deutlich 1 bis 6 Charaktere, die mit M. mutica übereinstimmten, was schließen lässt, dass es sich um Exemplare handelt, die aus unterschiedlichen (moderat bis häufig) Kreuzungen beider Spezies hervorgegangen sind. Bei der genetischen Untersuchung zeigte sich aber, dass nur bei 2 der 21 Individuen Markerallele von M. mutica an einigen Genloci vorhanden waren, während alle anderen nur Allele von M. reevesii exprimierten, was wiederum zeigt, dass keine reinerbigen M. mutica oder F1 Hybriden in der Schildkrötenansammlung vorhanden waren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass es zu sich wiederholenden Rückkreuzungen gekommen sein musste. Bei einer Analyse anhand des Genetischen-Hybrid-Index (GHI), der definiert war als die Anzahl an Allelen vom M. mutica – Typ innerhalb von 10 Untersuchungsloci ergab sich für die zwei Individuen ein Wert von 5 und 2, während alle anderen den Wert 0 aufwiesen. Diese sehr diskrete Verteilung der GHI-Werte spricht gegen die Annahme, dass es sich bei dieser Ansammlung um eine Gruppe handelt, in der zufällig verteilte Hybrid-Paarungen vorkommen. Sie lassen aber den Schluss zu, dass es sich bei den zwei Individuen mit GHI 5 bzw. 2 um Tiere handelt, die aus zwei zeitlich deutlich getrennten Hybridverpaarungen stammten, die unabhängig von den Hybridisierungsereignissen erfolgten, aus denen die anderen vermutlichen Hybriden hervorgegangen waren, die sich nur noch mehr oder weniger morphologisch unterschieden. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass obwohl der Hybridgenotyp nur selten in einer Population erhalten bleibt, da die ins Hybridgenom eingegangenen Gene durch die erfolgenden Rückkreuzungen wieder ausgedünnt werden. so können diese Gene doch über viele Generationen erhalten bleiben.

Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, – © Hans-Jürgen Bidmon
Chinesische Dreikielschildkröte,
Mauremys reevesii,
einjähriges Jungtier im Aquaterrarium
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich um eine interessante Arbeit, die uns eigentlich ohne dass es die Autoren so ausdrücken, dass gleiche zeigt wie die Arbeit von Garrick et al. (2014), Suzuki et al. (20149, Godwin et al. (2014), nämlich die Fusion von zwei Arten zurück zu einer. Sicher auf der Galapagosinsel Isabela ließ sich das etwas eleganter darstellen, aber letztendlich passiert hier in Japan zwischen den ausgesetzten nicht heimischen M. reevesii und M. mutica dasselbe. Schildkröten haben sich anscheinend diese Möglichkeit erhalten und wenn Sie sich mal in geologischen und klimatologischen Zeiträumen überlegen, zu welchen Faunen- und Florenverschiebungen begleitet von Aufspaltungen und Zusammenführungen es dabei kommen mag (siehe Bidmon 2015), dann wird deutlich welche Vorteile diese Potenz dies zu können dabei haben kann. Dass es letztendlich innerhalb der Hybriden durch Rückkreuzungen zur Ausdünnung eines Genoms während der Generationsfolgen kommt, ist auch klar, aber wir sollten uns dabei im Klaren sein, dass vorteilhafte Gene eines bestimmten Genomtyps auch durchaus erhalten bleiben können, wie wir dies von unserer eigenen „Hybridspezies“ Homo sapiens sapiens anhand der neueren phylogentischen Genomanalysen auch lernen durften (siehe Bidmon 2014, Kommentar zu Loire et al. 2014). Die hier vorgestellte Arbeit legt nahe, dass das auch für Schildkröten gilt. Bislang bleibt auch die Frage ungeklärt, ob nicht auch die Umweltbedingungen einen Einfluss darauf haben können, welche Genomanteile innerhalb eines solchen Hybridgenoms (Fusionsgenoms) letztendlich unabhängig von der Anzahl der Rückkreuzungen erhalten bleiben. Bei dieser japanischen Schildkrötenpopulation scheint es ja das M. reevesii Genom zu sein, das sich langfristig durchgesetzt hat, wobei die Frage nach dem Warum bislang ungeklärt bleiben muss. Für den Menschen ist man da etwas weiter, denn hier haben sich speziell Neanderthalergene erhalten, die für unser Immunsystem oder die Behaarung kodieren, während sich Genomanteile aus einem anderen Fusionsereignis bei der ursprünglichen tibetanischen Bevölkerung erhalten haben, die für eine Höhenanpassung an niedrigeren Sauerstoffgehalt kodieren. Welchen Einfluss die Umwelt langfristig wohl in diesem Fall über Selektion auf das Genom hatte, sollte uns auch klar werden, wenn wir Grizzly- und Eisbär betrachten, genauso wie es doch für jeden Phylogenetiker eine eminente Frage sein sollte, warum es weiße und farbige Homo sapiens sapiens in den verschiedenen Erdteilen gibt, denn auch dafür gibt es wohl eine Erklärung, da dunkle Haut uns davor schützt, dass der kurzwellige Sonnenlichtanteil nicht unsere Folsäure zerstört, denn diese hat für uns eine essentielle Bedeutung, während helle Haut dem Vitamin D Mangel in nördlichen Breiten vorbeugt (Chaplin & Jablonski 2009, 2013, Jablonski & Chaplin 2010, Gibbons, 2014). Eine Feststellung, die wenn mal genau hinschaut, auch auf Schildkröten zutreffen mag, denn die Beschreibung der Befunde von McGaugh (2012) deuten eigentlich sehr wohl auf eine ähnliche Umweltanpassungsstrategie bezüglich ihrer Pigmentierung hin.

Literatur

Bidmon H.-J. (2014): Kommentar zu: Loire, E., Y. Chiari, A. Bernard, V. Cahais, J. Romiguier, B. Nabholz, J. M. Lourenço & N. Galtier (2013): Population genomics of the endangered giant Galapagos tortoise. – Genome Biology 14(12): R136 oder Abstract-Archiv.

Bidmon, H.-J. (2015): Kommentar zu: Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Chaplin, G. & N. G. Jablonski (2009): Vitamin D and the evolution of human depigmentation. – The American Journal of Physical Anthropology 139(4): 451-461.

Chaplin, G. & N. G. Jablonski (2013): The human environment and the vitamin D compromise: Scotland as a case study in human biocultural adaptation and disease susceptibility. – Human Biology 85(4): 529-552.

Garrick, R. C., E. Benavides, M. A. Russello, C. Hyseni, D. L. Edwards, J. P. Gibbs, W. Tapia, C. Ciofi & A. Caccone (2014): Lineage fusion in Galápagos giant tortoises. – Molecular Ecology 23(21): 5276-5290 oder Abstract-Archiv.

Gibbons, A. (2014): Shedding light on Skin Color. – Science 346: 934-936.

Godwin, J. C., J. E. Lovich, J. R. Ennen, B. R. Kreiser, B. Folt & C. Lechowicz (2014): Hybridization of Two Megacephalic Map Turtles (Testudines: Emydidae: Graptemys) in the Choctawhatchee River Drainage of Alabama and Florida. – Copeia 2014(4): 725-742 oder Abstract-Archiv.

Jablonski, N. G. & G. Chaplin (2010): Colloquium paper: human skin pigmentation as an adaptation to UV radiation. – Proceedings of the National Academy of Science United States of America 107(2): 8962-8968.

McGaugh, S. E. (2012): Comparative population genetics of aquatic turtles in the desert. – Conservation Genetics 13(6): 1561-1576 oder Abstract-Archiv.

Suzuki, D., T. Yabe & T. Hikida (2014): Hybridization between Mauremys japonica and Mauremys reevesii Inferred by Nuclear and Mitochondrial DNA Analyses. – Journal of Herpetology 48(4): 445-454 oder Abstract-Archiv.

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