Fritz - 2009 - 01

Fritz, U., J. D. Harris, S. Fahd, R. Rouag, E. G. Martinez, A. G. Casalduero, P. Siroky, M. Kalboussi, T. B. Jdeidi & A. K. Hundsdörfer (2009): Mitochondrial phylogeography of Testudo greaca in the western mediterranean: Old complex divergence in North Africa and recent arrival in Europe. – Amphibia-Reptilia 30(1): 63-80.

Die mitochondriale Phylogeographie von Testudo graeca im westlichen Mittelmeerraum: Eine alte komplexe Aufspaltung in Nordafrika und eine erst kürzlich erfolgte Ankunft in Europa

DOI: 10.1163/156853809787392702 ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Wir untersuchten die mitochondriale Phylogeographie der Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) im westlichen Mediterranraum. In Nordafrika finden sich vier Hauptlinien (A-D), die zusammen eine gut abgesicherte Klade bilden, die eine der sechs Hauptkladen innerhalb von Testudo graeca darstellt. Diese nordafrikanische Klade ist die Schwesterklade zur kaukasischen Klade, die durch die Unterart T. g. armeniaca repräsentiert wird. Die phylogenetischen Beziehungen zwischen den nordafrikanischen Linien sind sehr schlecht aufzuzeigen. Die Linie A ist in Tunesien und im benachbarten Algerien verbreitet, Linie B in Algerien und dem nördlichen Marokko, Linie C in Libyen und Cyrenaica-Halbinsel, und Linie D kommt nördlich der hohen Atlasberge und im Sousstal (südliches Marokko) vor. Die Linie B ist in zwei Untergruppen aufgespalten: B1 (östliches Marokko und Algerien) und B2 (nordwestliches Marokko). Die italienischen Landschildkröten enthalten die Haplotypen der Linie A, die spanischen Landschildkröten die der Untergruppe B1. Basierend auf einer „molekularen Uhr“, die anhand von Fossilfunden kalibriert wurde, ergibt sich für die sechs Hauptkladen der mtDNS ein Aufspaltungszeitraum von vor ungefähr 4,2-1,8 Millionen Jahren. Die Aufspaltung zwischen den Kladen, die die östlichen Unterarten von T. g. ibera und T. g. terrestris repräsentieren, ist jünger als die Aufspaltung zwischen den westmediterranen Landschildkröten und T. g. armeniaca. Die westmediterranen Linien A-D wurden auf einen Aufspaltungszeitraum von vor mindestens 1,4-1,1 Millionen Jahren datiert, während die Aufspaltung von B1 und B2 etwa 0,7 Millionen Jahre zurückliegt. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die italienischen und spanischen Landschildkröten entweder eingeführt wurden oder dass sie sich von Tieren ableiten, die eine transozeanische Verdriftung in der jüngeren oder prähistorischen Vergangenheit erfahren haben. Maurische Landschildkröten besiedelten Nordafrika wahrscheinlich über Landbrücken im Nahenosten, die im späten Tertiär entstanden sind. Ihre Aufspaltung innerhalb Nordafrikas ist korreliert mit Zyklen der Austrocknung (Aridisierung) während des Pleistozäns. Die Verbreitung der westmediterranen Linien korrespondiert zum größten Teil mit der Verbreitung von morphologisch definierten Unterarten innerhalb Nordafrikas mit Ausnahme der Unterarten T. g. graeca und T. g. whitei sowie den Unterarten T. g. lamberti und T. g. marokkensis, die sich nicht differenzieren lassen. Wir schlagen daher vor, die ersten beiden Unterarten unter T. g. graeca und die beiden anderen Unterarten unter T. g. marokkensis zu vereinen. Die hochgradig komplexe Differenzierung der nordafrikanischen Maurischen Landschildkröten legt nahe, dass das Modell einer zweiteiligen Ost-West-Differenzierung, wie es für andere maghrebinische Amphibien und Reptilien vorgeschlagen wird, zu simplizistisch ist und eher auf unvollständigen lokalen (lückenhaften) Probensammelungen beruht als auf einer aktuellen phylogeographischen Differenzierung.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine schöne und umfassende Darstellung der Verbreitung für die Maurische Landschildkröte und deren Besiedlung von Europa, die auch etwas mehr Ordnung in die nordafrikanische Unterartenvielfalt bringt. Die Arbeit enthält sicher für alle Interessierten mehr Informationen als im Abstract zum Ausdruck kommen. Es bleibt die Frage, ob und wenn ja, welche Rolle unsere menschlichen Vorfahren in Bezug auf die heute vorgefundene Verteilung gespielt haben. Aber einigen sehr aktuellen Meinungen nach gab es zum Beispiel auf der iberischen Halbinsel ursprünglich nur Testudo hermanni, so dass man eigentlich alle dort auftretenden T. graeca als vom Menschen eingeschleppt bezeichnen müsste.

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