Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon

Franch - 2015 - 01

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Franch, M., A. Montori, N. Sillero & G. A. Llorente (2015): Temporal analysis of Mauremys leprosa (Testudines, Geoemydidae) distribution in northeastern Iberia: unusual increase in the distribution of a native species. – Hydrobiologia 757(1): 129-142.

Aktuelle Erfassung der Verbreitung von Mauremys leprosa (Testudines, Geoemydidae) im nordöstlichen Spanien: Eine ungewöhnliche Zunahme des Verbreitungsgebiets bei einer einheimischen Art.

DOI: 10.1007/s10750-015-2247-8 ➚

Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Bachschildkröte,
Mauremys leprosa,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Populationen der meisten Arten von Süßwasserschildkröten in Europa zeigen rückläufige Bestandstrends, die sich auf eine Vielzahl von Faktoren zurückführen lassen. Die europäische Verbreitung der mediterranen Maurischen-Bachschildkröte (Mauremys leprosa) beschränkt sich auf die iberische Halbinsel und ein kleines zusätzliches Areal im Süden Frankreichs. Die Art gilt noch als häufig in Spanien und Portugal, zeigt aber eine starke Abnahme bei ihren Verbreitungsgebieten und bei der Dichte der Populationen innerhalb der gesamten iberischen Halbinsel mit Ausnahme von Catalonien in ihrem nordöstlichsten Vorkommen. Das Hauptziel dieser Arbeit war es, die ökologischen Nischen zu modellieren, um die Trends beim Verbreitungsstatus von M. leprosa in Catalonien zu analysieren. Das Verbreitungsgebiet hat sich für diese Schildkrötenspezies von den ursprünglichen Küstenhabitaten aus zunehmend auch ins Inland ausgeweitet. Die maximale Höhe in der die Art während der drei Untersuchungsperioden gefunden wurde, vergrößerte sich zunehmend bis auf eine Höhe von 900 m. Dabei nimmt die Häufigkeit von M. leprosa zu und die Populationen liegen weniger isoliert als früher. Die Modelle zur Darstellung der ökologischen Nische zeigten, dass M. leprosa Feuchtgebiete und offene Wasserstellen sowie künstlich angelegte Wasserstellen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten bis auf 900 m Höhe mit sonniger Exposition bevorzugt. In Bezug auf ihre klimatischen Ansprüche zeigt sich, dass M. leprosa eine thermophile Art ist, die im Gegensatz zu anderen einheimischen europäischen Süßwasserschildkröten eine gewisse Toleranz gegenüber gestörten Habitaten aufweist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Es ist schön, auch mal positive Nachrichten zum Thema Bestandserholung oder Erweiterung für Schildkröten zu lesen. Dennoch frage ich mich, wie der letzte Satz dieses Abstracts zu verstehen wäre, denn wir kennen doch viele gestörte Habitate für andere Sumpf- bzw. Bachschildkrötenarten in Südeuropa, die hohe Individuenzahlen zeigen und von der Umweltbelastung her als gestört einzustufen sind (siehe z. B. Hofstra 2015). Die Frage, die sich eigentlich für solche Bestanderweiterungen stellt, ist doch eine ganz andere. Nämlich die nach den Veränderungen in der Landschaft insgesamt und nach dem Vorhandensein von ausreichend Nahrung? Wenn sich durch Rodung und Waldabholzung mehr sonnenbeschienene Wasserstellen bieten oder durch die Landwirtschaft in Form von Bewässerungsgräben oder Stellen angeboten werden, in denen sich auch genug Nahrung finden lässt, denke ich schon, dass sie von den Schildkröten einschließlich der Europäischen Sumpfschildkröte angenommen würden, denn Schildkröten lassen sich auch in stark eutrophierten (überdüngten) oder fäkalienreichen, sonnenbeschienenen Gewässern in Südeuropa antreffen. Sicher kann man auch überlegen, ob der Klimawandel hier hilft höhere Höhenlagen zu besiedeln, während er weiter südlich eher zum austrocknen und Verschwinden von Wasserflächen beiträgt. Allerdings denke ich, dass viele dieser Situationen derzeit eher auf menschliche Eingriffe in die Landschaft als durch den Klimawandel zu erklären sind. Wir müssen eben überlegen was wir wo mit der Landschaft und den dort vorkommenden Lebewesen vorhaben und wo wir die Prioritäten setzen. Denn z. B. würden dichte Wälder und Aufforstung sicherlich eher Schwarzstorch- oder Luchspopulation dienen als den Schildkröten (siehe auch Kommentar Bidmon 2016; Rozylowicz & Popescu 2013). Insofern stellt sich auch die Frage was wir als gestörte Landschaft bezeichnen. Die einstmals vorhandenen großflächigen Eichenwälder Spaniens und Portugals wurden im Mittelalter zum Bau von Segelschiffen großflächig abgeholzt. War das die erste Störung, bei der auch etliche an dichtere Wälder gebundene Arten verschwanden? Diese sich dort sukzessiv entwickelnde offenen Busch- und Weidelandschaft ergab gute Schildkröten- und Bodenbrüterhabitate. Diese werden heute in manchen Bereichen wieder durch Aufforstung oder intensiv genutzte Agrarflächen zerstört. Sind das dann die Störungen 2. Bzw. 3 Grades? Wir sollten uns durchaus überlegen was wir wollen, ehe wir jeden Eingriff in etwas global und undefiniert als Störung bezeichnen. Vielleicht sollte man von Landflächen reden, die seit der Sesshaftwerdung des Menschen als zu neudeutsch ausgedrückt „gemanagt Landschaften“ anzusehen sind.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2016): Kommentar zu: Popgeorgiev, G., N. Tzankov, Y. Kornilev, D. Plachiyski, B. Naumov & A. Stoyanov (2014): Changes in Agri-environmental Practices Pose a Threat to the Herpetofauna: a Case Study from Besaparski Ridove Special Protection Area (Natura 2000), Southern Bulgaria. – Acta Zoologica Bulgarica (5): 157-169 oder Abstract-Archiv.

Hofstra, J. (2015): Moerasschildpadden op het Griekse eiland Lesbos. – Schildkröten im Fokus Online 2015 3: 1-9 oder Artikel-Archiv.

Rozylowicz, L. & V. D. Popescu (2013): Habitat selection and movement ecology of eastern Hermann’s tortoises in a rural Romanian landscape. – European Journal of Wildlife Research 59: 47-55 oder Abstract-Archiv.

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