Carter - 2018 - 01

Carter, A. W., B. M. Sadd, T. D. Tuberville, R. T. Paitz & R. M. Bowden (2018): Short heat waves during fluctuating incubation regimes produce females under temperature-dependent sex determination with implications for sex ratios in nature. – Scientific Reports 8(1): 3.

Kurze Hitzewellen während einer fluktuierenden Inkubationstemperatur produzieren Weibchen bei einer Temperatur-abhängigen Geschlechtsbestimmung und das hat Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse in der Natur.

DOI: 10.1038/s41598-017-17708-0 ➚

Die Muster der Temperaturschwankungen in der Natur beeinflussen zahlreiche biologische Prozesse aber zurzeit werden bei empirischen Studien meistens nur konstante Temperatureinwirkungen untersucht. Dieses Vorgehen schränkt unser Verständnis dafür wie thermosensitive Spezies auf ökologisch relevante Temperaturen reagieren stark ein. Wissenschaftliche Untersuchungen an Schildkröten mit Temperatur-abhängiger Geschlechtsausprägung (TSD) liefern dafür gute Beispiele, da die Nesttemperaturen bei vielen Populationen selten in der Natur die Temperaturen erreichen, die notwendig sind um unter konstanten Laborbedingungen Weibchen zu erzeugen. Wir stellen die Hypothese auf, dass kurzandauernde Perioden mit sehr warmen Temperaturen (Hitzewellen) ein integraler Bestandteil für die Geschlechtsfestlegung bei Arten mit TSD sind und dazu sind nun mal Tests notwendig die über die Anwendung von konstanten Inkubationstemperaturen hinausgehen. Wir nahmen Embryonen (Eier) von Trachemys scripta aus verschiedenen Populationen und während der gesamten Nistsaison und setzten sie Hitzewellen mit unterschiedlichen Zeitverläufen aus und quantifizierten anschließend die Geschlechterverhältnisse. Wir fanden, dass die Embryonen aus allen Populationen sehr stark auf Hitzewellen von Weibchen-produzierender Höhe reagierten. Es genügte nur eine Warmphase von 7,9 Tagen um ein 50:50 Geschlechterverhältnis zu erzeugen, aber die Reaktionsstärke variierte während des Verlaufs der Nistsaison. Aus diesen Ergebnissen entwickelten wir ein Modell zur Abschätzung des Geschlechterverhältnisses in Abhängigkeit von den Temperaturaufzeichnungen im Freiland und dieses Modell erwies sich als zuverlässiger und aussagekräftiger als die bisherigen traditionellen Methoden. Insgesamt fördern diese Ergebnisse unser Verständnis für die TSD-Abläufe und sie legen nahe, dass es wichtig ist wirklich biologisch relevante Temperaturverläufe zu untersuchen wenn man Temperatur-sensitive Prozesse studieren will.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun hier haben die Autoren an einer Modellart mal gezeigt was wir eigentlich schon wissen, es aber nur nicht bislang so klar belegen konnten. Bekannt war ja, dass bei vielen TSD-Arten das Geschlecht am Ende des ersten Drittels, Anfang zweiten Drittels der Gesamtinkubationsdauer festgelegt wird. Schwierig ist eben nur zu wissen wann das ist. Für Arten deren Eier sich sofort nach der Ablage entwickeln und insbesondere für Testudo hermanni gab es ja früher schon entsprechende Erkenntnisse und Empfehlungen z. B von Eggenschwiler. Ich habe früher oft bei Vorträgen mal solch eine schematische „so genannte“ Eggenschwilerkurve als Abbildung konstruiert und gezeigt. Bei all den Arten deren Entwicklung im Ei erst nach einer Diapause einsetzt ist es natürlich schwierig abzuschätzen wann dieses erste Drittel der Inkubationsphase oder besser Entwicklungsphase des Embryos erreicht ist, da man ja den genauen Entwicklungsanfang nicht kennt. Hier bleiben auch weiter Fragen offen und wir sollten auch nicht vergessen, dass es nicht bei allen Arten so sein muss. Was hier aber auffällt ist die Beobachtung, dass sich diese Sensitivität gegenüber der Temperatur im Jahreszyklus verschiebt. Es also zu einem Phänomen kommt welches dazu führt, dass das im zeitigen Frühjahr abgesetzte Erstgelege schon auf niedrigere Temperaturanstiege mit der Entwicklung hin zu Weibchen reagiert als die im Hochsommer abgelegten späteren Gelege die von Anfang an mit höheren Durchschnittsinkubationstemperaturen starten und die dann darauf nochmal eine höhere Temperaturspitze brauchen um sich in Richtung weiblich zu entwickeln. Gerade diese Erkenntnis könnte erklären, dass bei der Inkubation mit konstant hohen Temperaturen trotzdem noch Männchen schlüpfen obwohl man mit Weibchen gerechnet hat. Denn wenn man von Anfang an mit gleichbleibend hohen Temperaturen inkubiert bleiben ja diese vielleicht notwendigerweise induzierend wirkenden Temperaturspitzen aus weil ja auch niemand so hoch mit der Temperatur gehen will, dass man damit Schildanomalien oder gar das Absterben der Embryonen riskieren will. Insofern bleibt es auch hier weiter spannend welche Erkenntnisse die weitere Wissenschaft zu Tage fördert.