Best - 2017 - 01

Abstracts B Zugriffe: 1757

Best, R. J., J. M. Anaya-Rojas, M. C. Leal, D. W. Schmid, O. Seehausen & B. Matthews (2017): Transgenerational selection driven by divergent ecological impacts of hybridizing lineages. – Nature Ecology & Evolution 1(11): 1757-1765.

Eine generationenübergreifende Selektion die durch unterschiedliche ökologische Einflüsse bestimmt wird bei hybridisierenden Evolutionslinen.

DOI: 10.1038/s41559-017-0308-2 ➚

Dynamische Interaktionen zwischen ökologischen Bedingungen und den phänotypischen Zusammensetzungen von Populationen spielen eine wichtige Rolle für die Evolution, aber die Richtung und die Stärke dieses Feedbacks (Rückwirkungsschleifen) lässt sich nur schwer charakterisieren. Wir untersuchten diese Dynamiken über zwei Generationen hinweg bei zwei Evolutionslinien von Dreistacheligen Stichlingen die sich in einer sekundären Kontaktzone auch per Hybridisierung fortpflanzten. Die unabhängige Manipulation der Dichte und der Linien bei den Adulti innerhalb eines experimentellen Mesokosmos führte zu gegensätzlichen ökologischen Bedingungen die starke Auswirkungen auf das Überleben der nächsten Generation bei den Jungfischen hatten. Diese Ökosystemveränderungen durch die Adultfische veränderten auch die Stärke der Selektion zwischen den konkurrierenden Hybridindividuen und den artreinen Jungfischen. Diese Unterschiede bei der Selektion zeigten zum einen eine negative öko-evolutionäre Rückkopplungsschleife hervorgerufen durch Evolutionslinien-spezifische Ressourcenverminderung und Ressourcenabhängigkeit und zum zweiten einen sehr hohen Überlebensvorteil der Hybridnachkommen unter dem Einfluss der Ressourcenverminderung in ihrer Umwelt. Diese Arbeit verweist auf die Wichtigkeit der Interaktionen zwischen Phänotyp, Populationsdichte und Umwelt in Bezug auf das Selektionsmuster und die daraus resultierenden Evolutionsverläufe insbesondere im Hinblick auf die Ausweitung des Besiedlungsareals (Expansion) unter Einbezug der Auswirkungen durch sekundäre Kontaktzonen und Hybridisierung.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Innerhalb des phylogenetischen Stammbaums sind Amphibien und Reptilien zwischen den Fischen und den Vögeln stehend angesiedelt. Wie schon bei Bidmon (2017) ausgeführt ist, geht aus der dort zitierten Literatur klar hervor, dass z.B. Darwinfinkenhybriden bei Trockenzeiten auf den jeweiligen Galapagosinseln klare Überlebens- und Reproduktionsvorteile gegenüber ihren reinerbigen Eltern haben, da sie ein breiteres Nahrungs- (Ressourcen-) Angebot nutzen können. Hier haben wir im Vergleich dazu mal eine Arbeit aus dem Stamm der Knochenfische wo gleiches beschrieben wird und zwar unter der Voraussetzung, dass sich die Populationsdichte und das Ausbreitungspotential einer der Arten (=Evolutionslinien) verändert. Die Art deren Dichte zunimmt verbraucht die von ihr benötigen Ressourcen übermäßig schnell, so dass es zu einem Ressourcenmangel in ihrer Umwelt kommt, was sich negativ auf die reinerbigen Nachkommen dieser Art auswirkt. Die Hybridindividuen die intermediäre Ressourcen nutzen können sind dabei im Vorteil, was ihnen bessere Überlebenschancen einräumt. In dieser Studie ist es also nicht die abiotische Umwelt wie ausbleibender Regen, Hitze und Dürre die die Ressourcen verändern, sondern hier sind es die adulten Fische einer Art die über die Zunahme ihrer Populationsdichte selbst ihre Umweltbedingungen verändern und in diesem experimentellen Fall zugunsten der Hybriden verschlechtern. Hier würde also eine Erhöhung der reinerbigen Populationsdichte nur Sinn ergeben, wenn sich äußere Umweltbedingungen so mitverändern, dass sie das Mehr an Ressourcen bereitstellt. Wir sehen also wie beides Arten (lebende Individuen) wie auch abiotische (unbelebte) Faktoren zu Umweltveränderungen beitragen, die sich auf die Arterhaltung und letztendlich auch auf den Genfluss zwischen zwei oder mehreren kreuzungsfähigen(er) Arten auswirken kann. Leider haben Schildkröten für solche Untersuchungen oft eine zu lange Generationsfolge, um auch für sie ähnliche Interaktionen direkt und zeitnah zu studieren. Aber was wir aus diesen Untersuchungen auch ganz klar ersehen sind es mal wieder Energieflüsse die sich entscheidend auf solche Prozesse direkt oder indirekt auswirken (siehe auch Bertolero et al., 2007; und den dortigen Kommentar). Insofern sollten wir uns fragen, inwieweit nicht Ressourcenveränderungen durch den Menschen die Hybridisierung bevorteilen und damit meine ich nicht nur die Faunenverfälschung durch Umsiedlung von Arten sondern auch z.B. die Verringerung von Nahrungsressourcen durch Umweltverschmutzung (Pestizide, Herbizide) und den Straßenverkehr (siehe Kommentare zu Héritier et al., 2017; Iosif et al., 2013; Stehen et al., 2006).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2017): Sind phylogenetische Stammbäume nur ein Traum? – Schildkröten im Fokus 14(1): 14-27 ➚.

Bertolero, A., D. Oro & A. Besnard (2007): Assessing the efficacy of reintroduction programmes by modelling adult survival: the example of Hermann's tortoise. – Animal Conservation 10(3): 360-368 oder Abstract-Archiv.


Héritier, L., D. Duval, R. Galinier, A.-L.,Meistertzheim & O. Verneau (2017): Oxidative stress induced by glyphosate-based herbicide on freshwater turtles. – Environmental Toxicology and Chemistry 36(12): 3343-3350 oder Abstract-Archiv.

Iosif, R., L. Rozylowicz & V. D. Popescu (2013): Modeling road mortality hotspots of Eastern Hermann’s tortoise in Romania. – Amphibia-Reptilia 34(2): 163-172 oder Abstract-Archiv.

Parham, J. F., T. J. Papenfuss, P. P. van Dijk, B. S. Wilson, C. Marte, L. R. Schettino & W. Brian Simison (2013): Genetic introgression and hybridization in Antillean freshwater turtles (Trachemys) revealed by coalescent analyses of mitochondrial and cloned nuclear markers. – Molecular Phylogenetics and Evolution 67(1): 176-187 oder Abstract-Archiv.

Stehen, D. A., M. J. Aresco, S. G. Beilke, B. W. Compton, E. P. Condon, C. K. Dodd, H. Forrester, J. W. Gibbons, J. L. Greene, G. Johnson, T. A. Langen, M. J. Oldham, D. N. Oxier, R. A. Saumure, F. W. Schueler, J. M. Sleeman, L. L. Smith, J. K. Tucker & J. P. Gibbs (2006): Relative vulnerability of female turtles to road mortality. – Animal Conservation 9(3): 269-273 oder Abstract-Archiv.