Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Ashford - 2019 - 01

Ashford, M. A., S. M. Palackdharry, B. M. Sadd, R. M. Bowden & L. A. Vogel (2019): Intestinal B cells in the red‐eared slider turtle, Trachemys scripta: Anatomical distribution and implications for ecological interactions with pathogenic microbes. – Journal of Experimental Zoology Part A: Ecological Genetics and Physiology 331(8): 407-415.

Intestinale B-Zellen bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta: Anatomische Verteilung und Eindrücke über deren ökologische Interaktionen mit pathogenen Mikroben.

DOI: 10.1002/jez.2307 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Erkrankungen stellen eine bedeutende Gefährdung dar, insbesondere im Hinblick auf den globalen Rückgang bei vielen Reptilienarten. Viele aquatische Reptilien besiedeln Habitate mit einer hohen Belastung an opportunistischen mikrobiellen Pathogenen, aber vergleichsweise wenig ist über ihr Immunsystem bekannt. Darm-assoziiertes lymphatisches Gewebe ist ein überlebenswichtiger Schutz vor oral aufgenommenen Pathogenen und zur Erhaltung einer normalen mikrobiellen Darmflora. Bei Säugetieren ist die Immunität der Darmschleimhaut gut charkterisiert und die Schleimhautoberflächen sind überzogen mit schützenden Antikörpern. Allerdings ist für Reptilien nur bekannt, dass sie angeblich keine Lymphknoten und keine Peyer'schen Plaques besitzen die bei Säugern den Haupteil der B-Zellabwehrreaktionen darstellen. Letztendlich ist das Vorkommen und die Verteilung der Darmschleimhaut-assoziierten B-Zellen bei Reptilien unbekannt. In dieser Studie untersuchten wir zuerst ob B-Zellen im Darmgewebe der Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta nachweisbar sind. Dazu nutzten wir die Whole-mount-Immunhistochemie und einen primären Antikörper gegen die leichte Kette der Schildkrötenantikörper und wir identifizierten damit viele weiträumige Aggregate von B-Zellen in der Dünndarmwand von Schildkrötenschlüpflingen. Diese Aggregate erscheinen vergleichbar zu isolierten Lymphfollikeln (ILFs) bei Säugern und deren Häufigkeit nahm zum distalen Ende hin drastisch im Vergleich zum Anfangsteil zu. Um nun zu untersuchen ob diese Lymphaggregate auf die Anwesenheit von Mikroben reagieren führten wir über eine orale Sonde eine Salmonellenart ein. Die nachfolgende Analyse des Darmgewebes der Schlüpflinge die mit Salmonella infiziert worden waren zeigte signifikant mehr solcher Lymphaggregate im Vergleich zu unbehandelten Kontrollschlüpflingen, die keine Bakterien bekommen hatten. Diese Studien liefern also erstmals einen Beleg für das Vorhandensein von B-Zellen-enthaltenden ILF-ähnlichen Strukturen bei Reptilien und sie liefern neue Informationen über das Immunsystems des Darms bei einem nicht zu den Säugetieren zählenden Wirbeltier die wichtige Einblicke für die ökologischen Interaktionen mit Pathogenen liefern.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun so ganz neu sind diese Daten ganz sicher nicht und insofern stellt die Arbeit auch ein gutes Beispiel für das Invergessenheitgeraten alter oder lange zurückliegender Arbeiten (siehe auch dazu auch Flajnik, 2018). Richtig ist sicherlich, dass es sich dabei um die eindeutige Identifizierung von B-Zellen handelt die in diesen Aggregaten oder Lymphfollikeln sitzen denn bislang waren Lympholikel-ähnliche Strukturen bei Schildkröten meist für die Milz beschrieben und die deutlich pigmentierten Lympfozytenansammlungen in anderen Geweben wurden meist nicht als Follikel beschrieben sondern als Melanomakrophagen (MML)–Ansammlungen, da auch die B-Lymphozyten der sogenannten „niederen“ Wirbeltiere eine gewisse Phagozytoseaktivität neben ihrer Antikörperproduktion besitzen. Was uns aber für die Praxis in dieser Studie wirklich klargemacht wird ist, dass eine orale Infektion mit einer Vermehrung dieser Follikel und B-Lymphozyten einhergeht. Letzteres belegt eindeutig, dass diese Abwehrreaktionen abhängig von Energie und Nährstoffen sind, denn diese zusätzlichen Immunzellen und ihre Antikörperproduktion verbrauchen nicht nur Energie, sondern brauchen auch Proteine (siehe Kommentare zu Palackdharry et al., 2016; Zimmerman et al., 2017). Insofern wieder ein gutes Beispiel dafür, dass Hungern während der Aktivitätsphasen von Schlüpflingen und Schildkröten im Allgemeinen völlig falsch sind! Wechselwarme Tiere sparen ihre meiste Energie während der Ruhephasen, denn die werden dann abgehalten, wenn das Futter knapp ist was ja gerade den evolutiven Vorteil für diese Tiergruppe gegenüber den homoiothermen Warmblütern ausmacht. Während dieser Ruhephasen können sie sogar ihr Immunsystem energiekostengünstig herunter regeln, da die Gefahr einer oralen Aufnahme von Krankheitserregern so gut wie nicht exsistent ist. Lediglich die Immunzellen der äußeren Körperoberflächen könnten hier noch gefordert sein, aber da sorgt dann meist die richtige Wahl des Ruheplatzes für ein nicht allzu hohes Infektionsrisiko. Ähnliche Ergebnisse wie die hier beschriebenen wurden auch jüngst von Xu et al., (2020) für die kommerziell genutzte Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis beschrieben und Olivieri et al., (2021) beschreiben sogar in ihrem Übersichtsartikel zu den Immungenen, dass Schildkröten zu jenen Reptilien mit der höchsten Anzahl an Immunsystemgenen gehören.

Literatur

Flajnik, M. F. (2018): A cold-blooded view of adaptive immunity. – Nature Reviews Immunology 18: 438-453.

Olivieri, D. N., S. Mirete-Bachiller & F. Gambon-Deza (2021): Insights into the evolution of IG genes in Amphibians and reptiles. – Developmental & Comparative Immunology 114:103868; DOI: 10.1016/j.dci.2020.103868 ➚.

Palackdharry, S., B. M. Sadd, l. A. Vogel & R. M. Bowden (2016): The effect of environmental temperature on reptilian peripheral blood B cell functions. – Hormones and Behavior 88: 87-94 oder Abstract-Archiv.

Xu, J., H. Chen, W. Zhang & H. Xu (2019): Evaluation of intraepithelial lymphocytes, goblet cells and immunoglobulin genes in the intestinal mucosal tissue of Pelodiscus sinensis after challenge with Aeromonas veronii bv. sobria and lipopolysaccharide. – Fisheries Science 85(1): 177-185; DOI: 10.1007/s12562-018-1262-x ➚.

Zimmerman, L. M., A. W. Carter, R. M. Bowden & L. A. Vogel (2017): Immunocompetence in a long-lived ectothermic vertebrate is temperature dependent but shows no decline in older adults. – Functional Ecology 31(7): 1383-1389 oder Abstract-Archiv.

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