Griechische Landschildkröte, Testudo hermanni boettgeri, Jungtiere – © Hans-Jürgen Bidmon

Hetenyi - 2010 - 01

Hetenyi, N., T. Satorhelyi & H. Hullar (2010): Keeping and nutrition of European tortoises Literature review. – Magyar Allatorvosok Lapja 132(4): 223-229.

Haltung und Ernährung von europäischen Landschildkröten, ein Literaturreview.

DOI: None

Bei Schildkröten wie auch bei anderen Reptilien lassen sich die häufigsten Erkrankungen auf eine falsche Ernährung oder falsche Haltungs- (Umgebungs-) Bedingungen zurückführen. Für europäische Landschildkröten empfiehlt sich als bestes Einstreu normale Erde, die mit Kalksteingrit gemischt werden kann. Um eine optimale Körpertemperatur aufrecht zu erhalten, sollte man sie während des Tages bei 24-28 °C und nachts bei 18-22 °C unterbringen. Europäische Landschildkröten sind herbivor und daher sollte ihre Nahrung zu 70-80 % aus Gartenkräutern (z. B. Löwenzahn, Vogelmiere) bestehen, die zu 15-20 % mit Gemüsesorten und auch zu 5-15 % mit Früchten ergänzt werden sollten. Das empfohlene Kalzium-Phosphor-Verhältnis im Gesamtfutter sollte bei 2-3:1 liegen. Dieses Verhältnis kann verschoben werden, indem man Früchte mit hohem Phosphat Gehalt wie Banane, und Aprikose als Futter nutzt. Anhand der veterinärmedizinischen Praxis und Erfahrung beziehen sich die meisten ernährungsbedingten, auch oft tödlich endenden, Erkrankungen auf einen Mangel an Kalzium und Phosphor. Das ist auch mit ein Grund, warum Pflanzen mit hohen Oxalatgehalt wie Spinat und bestimmte Salate nicht empfehlenswert sind. Im Verdauungstrakt bildet das Oxalat mit dem Kalzium unlösliches Kalziumoxalat. Die tägliche Gabe von komplexen Vitamin- und Mineralergänzungen sind wichtig. Ebenso sollte auf eine adäquate Wasserversorgung geachtet werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich wieder einmal um einen typischen Review aus der veterinärmedizinischen Praxis, der versucht, die neuere Literatur mit einzubeziehen und für Europäische Landschildkröten durchaus akzeptable Haltungstemperaturen empfiehlt. Auch auf Früchte als Futter wird eingegangen. Jedoch kann sich der Artikel auch nicht von dem freimachen was in der Praxis einen Zusatzgewinn einbringt, nämlich dem Verkauf von angeblich komplexen Vitaminmischungen, die täglich dem Futter beizufügen seien.
Es mag ja sein, dass in den veterinärmedizinischen Praxen hauptsächlich unter -sowie zu einseitig versorgte Patienten vorgestellt werden, und man deshalb solche Empfehlungen wie tägliche Vitamingaben ausspricht.
Allerdings handelt es sich hie um Ausnahmefälle diese Schlussfolgerungen sind meiner Meinung nach nicht auf alle europäischen Landschildkröten in menschlicher Obhut übertragbar sind.

Ich mir nicht nicht vorstellen, dass es sich neben einer gewinnbringenden und umsatzfördernden um eine sinnvolle Maßnahme handeln soll, täglich frisches Grünfutter mit komplexen Vitaminmischungen anzureichern.
Auch hier ist dann wohl so manche Hypervitaminose vorprogrammiert. Außerdem ist es nicht sinnvoll, komplexe Vitamin-Mineralmischungen zu verabreichen, da manche Substanzen des Gemischs sich und ihre Aufnahme im Darm selbst be- und verhindern. Das zeigt eines der wohl allen geläufigen Beispiele, dass die gleichzeitige Gabe von Kalzium und Eisen die Eisenresorption im Darm hemmt. Kalzium hemmt zudem die Magnesium Aufnahme und selbst für das in der Vergangenheit häufig eingesetzte Korvimin wurde festgestellt, dass die dort benutzte Mischung so gut wie keine Aufnahme der wichtigen Substanzen Magnesium und Zink zulässt. Ebenso enthalten Vitaminpräparate oft Thiaminchlorid (angeblich Vitamin B1), das für Tiere allerdings nicht verwertbar ist da Vitamin B1 in der belebten Natur in Form von Thiaminpyrophosphat gebraucht wird. Es gibt zahlreiche Beispiele dieser Art, und ich denke, Sie sollten, falls Ihnen der Veterinär ihres Vertrauens Ähnliches empfiehlt, einmal danach fragen.
Es ist schade, dass Veterinäre, die sich scheinbar nicht ausreichend mit der Biochemie der Ernährungsphysiologie beschäftigt haben, solche Ratschläge erteilen, die letztendlich auch dem eigentlichen veterinärmedizinischen Anliegen nicht gerecht werden.